Sollten Menschen, die bereits mit SARS-CoV-2 infiziert waren, trotzdem gegen Corona geimpft werden? In Frankreich will man diesen Personen nur eine einzige Dosis verabreichen.
Ehemals Corona-Infizierte sind ähnlich gut vor einer Reinfektion mit SARS-CoV-2 geschützt wie Geimpfte. Das legen inzwischen zahlreiche Studien nahe. Trotzdem wäre eine Impfung dieser Personen sinnvoll, wenn der natürlich erworbene Immunschutz nach einiger Zeit wieder abnimmt. Doch wie lange der Schutz anhält, ist bislang nicht eindeutig geklärt – aktuelle Untersuchungen gehen von mindestens acht Monaten aus, möglicherweise länger.
Die französische Gesundheitsbehörde Haute Autorité de Santé (HAS) verfolgt dahingehend einen interessanten Ansatz: Ehemals Infizierte sollten statt zwei Dosen nur eine Impfdosis erhalten, frühestens drei Monate nach der Infektion. Diese wirke dann wie eine Booster-Impfung. Die Regelung könnte für Personen mit positiven PCR- oder Antikörpertest gelten und somit zahlreiche Impfdosen einsparen. Laut der Zeitung Le Monde liegt der französischen Regierung eine entsprechende Stellungnahme der HAS bereits vor.
Kleinere Untersuchungen haben schon gezeigt, dass eine Impfdosis bei Menschen, die bereits infiziert waren, zu höheren Antikörper-Titern führt als bei nicht Infizierten. Das deutet darauf hin, dass eine einzige Dosis für diese Menschen wie eine Booster-Impfung wirkt und damit ausreichen könnte.
Die Autoren einer Veröffentlichung im Lancet plädieren dafür, serologische Tests zum oder vor dem Zeitpunkt der ersten Impfung durchzuführen. Denn bei Impfstoffknappheit könne eine vorangegangene Infektion wie eine erste Impfdosis behandelt werden. Bei diesen Personen könne dann zunächst auf eine zweite Dosis verzichtet werden. Die Ergebnisse müssten zwar erst noch in größeren Studien bestätigt werden. Die Strategie könnte sich bei Impfstoffknappheit aber dennoch als nützlich erweisen.
Die französische Gesundheitsbehörde empfiehlt eine früheste Impfung von ehemals Infizierten nach drei Monaten, andere Behörden erst nach 6 Monaten. Das Abwarten hat auch einen guten Grund, denn Impfungen, die zu früh nach einer Infektion durchgeführt werden, sind generell problematisch. Dann kann es zu Überreaktionen des Immunsystems kommen und das Risiko für Nebenwirkungen erhöhen. Das zeigte etwa eine kleine Studie mit 109 Geimpften, von denen 41 bereits mit SARS-COV-2 infiziert waren. Im Blut der ehemals Inifizierten fanden sich nach der ersten Impfdosis zehnmal mehr Antikörper als bei den anderen Probanden. Das zeigt eine starke Immunreaktion, die aber auch zu deutlich ausgeprägteren Nebenwirkungen wie Fieber, Kopf- und Gelenkschmerzen bei diesen Personen führte.
Die STIKO empfiehlt unter anderem aus diesem Grund von vornherein, mit der Impfung von ehemals Infizierten erst einmal abzuwarten: “Aufgrund der anzunehmenden Immunität nach durchgemachter Infektion, zur Vermeidung überschießender Nebenwirkungen und in Anbetracht des bestehenden Impfstoffmangels sollten ehemals an COVID-19 erkrankte Personen [...] unter Berücksichtigung der Priorisierung im Regelfall etwa 6 Monate nach Genesung geimpft werden.”
Die US-Behörde CDC gibt eine andere Empfehlung: „Die Impfung sollte Personen unabhängig von einer vorangegangenen symptomatischen oder asymptomatischen SARS-CoV-2-Infektion angeboten werden“, heißt es auf der CDC-Website. „Virale Tests zur Feststellung einer akuten SARS-CoV-2-Infektion oder serologische Tests zur Feststellung einer früheren Infektion für die Zwecke der Impfstoffentscheidung werden nicht empfohlen.“ Allerdings könne angesichts der Impfstoffknappheit das Impfen von bereits infizierten Personen auch verzögert stattfinden.
Auch hinsichtlich der neuen Corona-Varianten ist das Thema relevant. Zwar scheinen Reinfektion generell selten vorzukommen – zu dem Schluss kommen inzwischen einige Untersuchungen. Doch wie das bei den neuen Corona-Varianten aussieht, ist noch ungewiss. „Zurzeit wissen wir noch zu wenig über die Rolle der neu detektierten Virusvarianten für den weiteren Verlauf der Pandemie oder die Möglichkeit einer Reinfektion“, kommentiert PD Dr. Julian Schulze zur Wiesch, Leitender Oberarzt Sektion Infektiologie und Leiter des Ambulanzzentrum Virushepatologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). „Eine mögliche Auswirkung auf den Immunschutz nach ausgeheilter Infektion kann nicht ausgeschlossen werden.“
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