Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie hat ein Update zu ihren im Sommer 2020 veröffentlichten Leitlinien herausgegeben. Dabei geht es vor allem um die Corona-Impfung für neurologische Patienten und die Beurteilung von Risikokonstellationen.
Im August 2020 wurde die S1-Leitlinie zu „Neurologischen Manifestationen bei COVID-19“ unter Federführung von Prof. Peter Berlit veröffentlicht (wir berichteten). Nun folgte ein erstes Leitlinien-Update, denn es gab zwischenzeitlich relevante Erkenntnisse im Hinblick auf neurologische Manifestationen, ihre Therapien sowie die besondere Risikokonstellation von Patientinnen und Patienten mit neurologischen Erkrankungen.
Eine wichtige Botschaft ist, dass bei ihnen keine Kontraindikation gegen die SARS-CoV-2-Impfung vorliegt. Eine weitere bedeutsame Erkenntnis: Menschen, die in der Vergangenheit einen Schlaganfall erlitten haben, sind eine COVID-19-Hochrisikogruppe.
Nach aktueller Datenlage scheinen Patientinnen und Patienten mit neuroimmunologischen Erkrankungen wie z. B. der Multiplen Sklerose, kein erhöhtes Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion oder schwere COVID-19-Verläufe zu haben. Ebenso scheinen Betroffene von präexistenten neuromuskulären Erkrankungen entgegen anfänglicher Befürchtungen keine besondere Gefährdungslage zu haben.
Lediglich für jene, die mit einem monoklonalen Antikörper gegen das CD20-Antigen (Rituximab und Ocrelizumab) behandelt werden, liegen Berichte vor, die auf ein erhöhtes Infektions- und Mortalitätsrisiko hindeuten.
Überraschend ist die Erkenntnis, dass Menschen mit zerebrovaskulären Erkrankungen in der Anamnese oft sehr schwer an COVID-19 erkranken und eine besonders vulnerable Gruppe darstellen. Der Experte bringt es so auf den Punkt: „Wer bereits einen Schlaganfall gehabt hat, ist COVID-19-Risikopatientin/-patient, sollte sich in besonderem Maße vor dem Virus schützen, die Kontaktbeschränkungen und Hygieneregeln strikt einhalten und ein Impfangebot unbedingt wahrnehmen!“
Das Auftreten verschiedener neurologischen Manifestationen während der COVID-19-Erkrankung wie Riech- und Geschmacksstörungen, Enzephalomyelitiden, und intrazerebralen Blutungen sowie neuromuskulären Erkrankungen beeinflusst, wie man heute weiß, die Prognose der Betroffenen. Während der Viruserkrankung auftretende Enzephalopathien (Verwirrtheit, Bewusstseinsstörungen und Gedächtnisprobleme) zeigen eine klare Assoziation mit höherer Morbidität und Mortalität.
Das Leitlinien-Update beleuchtet alle wesentlichen neurologischen Aspekte der COVID-19-Erkrankung und gibt Informationen zur Pathogenese, der Prognose, zur Diagnostik und Therapie – übrigens auch im Hinblick auf anhaltende Symptome. Bekannt ist, dass bei vielen Betroffenen die COVID-19-assoziierten Riechstörungen über eine lange Zeit anhalten.
Die Leitlinie empfiehlt, dass bei einer Dauer von über vier Wochen eine neurologische und HNO-ärztliche Vorstellung mit weiterführender Diagnostik erfolgen sollte. Empfohlen wird dann ein konsequentes, strukturiertes Riechtraining, während die Datenlage für Kortikoid-haltige Nasensprays noch zu heterogen sei, um eine gesicherte Empfehlung auszusprechen.
Offensichtlich sind neben Riech- und Geschmacksstörungen eine abnorme Erschöpfbarkeit (Fatigue) und neurokognitive Probleme eine häufige Folge von COVID-19, welche auch nach leichten Verläufen der Akuterkrankung fortbestehen können.
„Diese COVID-19-Spätfolgen werden wir in unserer DGN-Leitlinie behandeln, sobald zuverlässige Daten zu den Ursachen und zum Management dieser neurologischen Folgekomplikationen vorliegen“, verspricht Berlit. Die bestehende Leitlinie wurde als Living Guideline angelegt, bei der eine jährliche Aktualisierung mit kontinuierlicher Überprüfung vorgesehen ist.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Die Originalpublikation findet ihr hier.
Bildquelle: Bernd Klutsch, unsplash