MEINUNG | Polizisten kontrollieren Spaziergänger – nach dem Verweilverbot dürfen Menschen in bestimmten Zonen Düsseldorfs nicht mehr stehenbleiben. Aus meiner Sicht ist das ein schlechter Scherz.
Nordrhein-Westfalens Landeshauptstadt Düsseldorf reagiert auf ansteigende Inzidenzzahlen und auf neue Mutationen des nicht mehr ganz so neuartigen Coronavirus mit ganz eigenen Maßnahmen. Kommunalpolitikern reicht es nicht, dass Bürger medizinische Masken tragen. Vielmehr haben sie Verweilverbotszonen in der Altstadt errichtet, entlang des Rheins von der Dreieckswiese bis hin zu den Rheinterrassen. Der Slogan „Düsseldorf. Nähe trifft Freiheit“ auf der Pressemeldung wirkt wie ein schlechter Scherz. Denn beides sucht man vergebens.
Was steckt hinter dem bürokratischen Ungetüm? „In einem Verweilverbotsgebiet dürfen sich Menschen im öffentlichen Raum aufhalten, so lange sie sich fortbewegen, jedoch nicht verweilen, im Sinne von länger stehen bleiben, sich hinsetzen oder zum Beispiel auf eine Wiese legen“, schreibt die Stadt auf ihrer Website. Alle Einschränkungen gelten freitags 15 Uhr bis samstags 1 Uhr sowie samstags und sonntags von 10 bis 1 Uhr des Folgetages. Einige Freitreppen werden gleich ganz gesperrt.
Auf Twitter ließ der Zynismus nicht lange auf sich warten. „Ab wieviel Minuten verteile ich denn dann?“, will ein User wissen. „Gilt Verweilen, wenn ich 1-2 Minuten auf den Rhein schaue oder wie muss ich das interpretieren? Hier wäre eine genaue Zeitangabe sehr hilfreich damit der Willkür nicht Tür und Tor geöffnet werden!“
Doch die Stadt ignoriert solche Tweets und rüstet auf. Sie hat 300 knallrote Schilder neu aufgestellt – wenn auch nur in deutscher Sprache. Auch das Ordnungsamt, in Düsseldorf Ordnungs- und Servicedienst genannt, ist vor Ort, begleitet von Polizisten. Verstöße werden mit 50 Euro geahndet. Ob das Verbrecher abschreckt? Auf Twitter sieht man die Lage so: „Polizei: Halt, stehen bleiben! Dieb: Sorry, Verweilverbot.“
Das klingt originell, ist aber keineswegs witzig. Ich frage mich: Setzt die Stadt ihre Ressourcen richtig ein?
Präsenz zeigen und gesehen werden, das war schon immer eine beliebte Strategie der Ordnungshüter. Wie sie vor Ort auf Menschen ohne deutsche Sprachkenntnisse reagieren, ist unbekannt. Texte in anderen Sprachen fehlen auf den Schildern. Und wenn es wirklich, wie die Stadt Düsseldorf verkündet, um den Schutz vor Infektionen gehen würde: Warum werden Spielplätze nicht kontrolliert und Erziehungsberechtigte verwarnt? Eltern und Kinder, alle ohne Masken, genießen die Sonne. Das sei ihnen vergönnt, doch das Augenmaß ist der Exekutive hier wohl abhanden gekommen. Unpopuläre Maßnahmen lässt man wohl besser bleiben. Dabei gäbe es für die Polizei bestimmt sinnvollere Aufgaben, als Flaneure vom Rheinufer zu vertreiben.
Aber selbst einer wissenschaftlichen Überprüfung halten solche Verbotszonen nicht zwangsläufig Stand. Der Physiker und Aerosol-Forscher Dr. Gerhard Scheuch schätzt die Gefahr, sich im Freien zu infizieren, als verschwindend gering ein – selbst ohne Maske. Die Pflicht, draußen einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, hält er für „Aktionismus“ und ergänzt: „Wissenschaftlich macht das keinen Sinn.“
Britische Forscher stufen Singen und lautes Sprechen sehr wohl als riskant ein. Und belgische Forscher fordern, je nach körperlicher Aktivität, aufgrund von Messungen zwischen fünf und 20 Metern Abstand im Freien. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Ob jedoch Joggen mit Mundschutz die Sache besser macht, wie in Hamburg an manchen Strecken nun vorgeschrieben, erscheint mir fraglich.
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