Seit langem bekannt, aber noch vielfach unverstanden: Endometriose ist wie ein Chamäleon im gynäkologischen Praxisalltag. Ein Review fasst jetzt neue Aspekte zusammen.
Endometriose ist eine der häufigsten gynäkologischen Erkrankungen, weltweit sind mehr als 176 Millionen Frauen betroffen. Das entspricht einem Anteil von 5–10 % der Frauen im reproduktiven Alter. Es handelt sich dabei um eine gutartige Erkrankung, die sich durch das Vorkommen von endometriumartigen Zellverbänden außerhalb der Gebärmutterhöhle auszeichnet. Dabei können das Myometrium des Uterus (Adenomyosis uteri), Adnexen, Vagina, aber auch Peritoneum, Harnblase, Harnleiter, Darm, Lunge, Leber oder Hautnarben betroffen sein.
Die Bandbreite klinischer Symptomatik ist groß, was die Diagnostik erschwert. Typisch sind Schmerzsensationen wie Dysmenorrhoe, Dyspareunie, Dyschezie und Dysurie im zyklischen Verlauf. Es können aber auch azyklische Beschwerden in den betroffenen Körperregionen auftreten. In 30–50 % der Fälle ist Endometriose eine Sterilitätsursache. Keinerlei Symptomatik ist ebenfalls möglich, beispielsweise wenn Endometriose-Herde als Zufallsbefund bei einem gynäkologischen Eingriff diagnostiziert werden. Aufgrund der unbekannten Ätiologie ist eine kausale Therapie bislang nicht möglich. Typischerweise wird die Diagnose um vier bis elf Jahre verzögert gestellt, Fehldiagnosen sind häufig und eine wirksame Therapie gestaltet sich als schwierig.
Die Autoren des Lancet-Review sind überzeugt, dass Endometriose nicht mehr als Erkrankung gilt, die vorwiegend das Becken betrifft. Man gehe heute von einer systemischen Erkrankung aus, die den Stoffwechsel in Leber und Fettgewebe beeinflusst. Es komme zu systemischen Entzündungsreaktionen und über eine veränderte Genexpression im Gehirn würden Schmerzsensibilisierung und Stimmungsstörungen ausgelöst.
Noch seien die vollen Auswirkungen nicht bekannt, man nehme aber an, dass sie weit über das Becken hinausgingen und multifaktorielle Auswirkungen auf den gesamten Körper haben. Endometriose müsse deshalb als systemische Erkrankung gesehen werden. Um das besser zu verstehen, helfen neue Aspekte der Ätiologie.
Bisher ging man in der Pathogenese von der Vorstellung einer retrograden Menstruation aus. Dies beschreiben die Autoren als veraltet, weil es nicht dem wahren Umfang und den Manifestationen der Erkrankung gerecht wird.
Zellen, die der Basalmembran ähneln, werden bei Frauen mit Endometriose in höherer Anzahl gefunden als bei gesunden Frauen. Diese Zellen können sich zu Strukturen differenzieren, die dem uterinen Endometrium entsprechen. Solche Vorläuferzellen der uterinen Schleimhaut sind wahrscheinlich von entscheidender Bedeutung bei der Bildung von Endometriose-Herden. Da sich diese Herde außerhalb des Beckens im abdominalen und thorakalen Raum befinden können, auch bei hysterektomierten Frauen, kann eine retrograde Menstruation nicht die einzige Erklärung für die Entstehung der Endometriose sein.
Weiterhin werden Stammzellen aus dem Knochenmark für die Entstehung von Endometriose-Herden in Verbindung gebracht. Es wurden zirkulierende, in Endometriose-Absiedelungen nachgewiesene Stammzellen im Mausmodell identifiziert. Das lässt darauf schließen, dass die hämatologische Verbreitung von Stammzellen aus diesen Herden zur Weiterverbreitung der Endometriose-Inseln im Körper führt.
Eine weitere Theorie ist, dass Endometriose durch metaplastische Veränderungen der Mesothelzellen im Peritoneum, der Pleura und den Ovarien entstehen kann. Fallberichte von Mädchen mit thorakaler Endometriose vor der Menarche unterstützen diese Theorie. Eine hämatogene und lymphatische Ausbreitung der Endometriose würde sie zu Recht als eine systemische Erkrankung klassifizieren.
Für die Endometriose ist noch keine eindeutige genetische Komponente bekannt. Jedoch zeigen Studien an eineiigen Zwillingen eine hohe Konkordanz für die Entwicklung einer Endometriose. Töchter von Müttern mit Endometriose zeigen ein mehr als doppelt so hohes Risiko, an Endometriose zu erkranken als die Normalbevölkerung. Untersuchungen bei familiär gehäuften Endometriose-Erkrankungen ergeben Hinweise, dass es eine genetische Komponente gibt. Die Autoren des Lancet-Reviews gehen von einer Kombination aus genetischen und epigenetischen Faktoren aus.
Zirkulierende Antikörper gegen endometriale Antigene, die bei an Endometriose erkrankten Frauen gefunden wurden, deuten auf ähnliche Merkmale wie bei einer Autoimmunerkrankung hin.
Mäuse mit Endometriose zeigten eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber schmerzhaften Stimuli. Zurückzuführen war dies auf Makrophagen-induzierte Nervenfaserbildungen.
Neurologisch-psychiatrische Manifestationen treten gehäuft bei Frauen auf, die an einer Endometriose leiden. Es werden eine erhöhte Schmerzwahrnehmung, Angstzustände und Depression beobachtet. Verantwortlich gemacht werden hierfür chronische Entzündungsvorgänge und neurophysiologische Veränderungen im Gehirn.
Um eine Endometriose zu diagnostizieren, ist eine sorgfältige Anamnese von herausragender Bedeutung. Zyklische Darm- und Blasenbeschwerden sind starke Indikatoren, außerdem stellt eine progrediente Dysmenorrhoe den dringenden Verdacht auf eine Endometriose. Eine primäre Dysmenorrhoe hingegen nimmt im Laufe der Zeit nicht an Schwere zu.
Sterilitätsprobleme, bei denen keine andere Ursache gefunden wird, deuten auf eine Endometriose hin. Frauen, die davon betroffen sind, haben sechsmal häufiger Sterilitätsprobleme, als gesunde Frauen. Eine hohe Schmerzsensibilität, Angsterkrankungen und Depression, verbunden mit unklaren pelvinen Schmerzen, lassen den dringenden Verdacht auf eine Endometriose entstehen.
Neben der gynäkologischen Tastuntersuchung und dem transvaginalen Ultraschall, kann in unklaren Fällen ein ergänzendes MRT zur Beurteilung von unklaren Raumforderungen weiterhelfen. Thorakale Absiedelungen werden durch ein Thorax-CT diagnostiziert. Bisher wurden noch keine verlässlichen Biomarker gefunden. Die operative, histologische Abklärung gilt noch immer als der Goldstandard der Diagnostik.
Eine First-Line-Therapie mit Gestagenen oder oralen Kontrazeptiva, kombiniert mit nicht-steroidalen Antiphlogistika (NSAR), sind bei einem Drittel der symptomatischen Frauen weltweit erfolglos. Dies erklären die Autoren mit einer möglichen Progesteron-Resistenz. Als Second-Line-Therapie stellen GnRH-Analoga eine weitere Option dar. Um Nebenwirkungen zu vermeiden, werden Gestagene oder Östrogen-Gestagen-Präparate als Add-Back-Therapie verabreicht.
Die histologische Abklärung als Goldstandard der Diagnostik wird von den Autoren relativ gesehen. Wenn der klinische Verdacht hoch sei, solle eine medikamentöse Therapie auch ohne vorausgehende histologische Bestätigung erfolgen. Ein möglichst frühzeitiger Therapiebeginn bei klinischem Verdacht hätte mehr Vor- als Nachteile.
Die chirurgische Therapie zielt darauf ab, Schmerzen zu reduzieren und die normale Anatomie wiederherzustellen. Gerade bei Sterilitätsproblemen ist der operative Ansatz bedeutend. Eine postoperative medikamentöse Therapie senkt das Rezidivrisiko.
Als Innovation werden orale GnRH-Antagonisten gesehen, da sie gut wirksam sind und weniger Nebenwirkungen haben als die GnRH-Agonisten. Aromatasehemmer zeigen ebenfalls ein gutes Wirkungsprofil und sind eine Option bei frustranen vorausgegangenen Therapien. Selektive Progesteron- und Östrogen-Modulatoren sind eine weitere Möglichkeit, Endometriose-Patientinnen erfolgreich zu behandeln.
Reproduktionsmedizinisch stellt die In-vitro-Fertilisation die effektivste Behandlung der Endometriose-assoziierten Sterilität dar. Frauen mit Endometriose haben ein erhöhtes Risiko für eine verminderte ovarielle Reserve aufgrund der Pathogenese und vorausgegangenen Operationen an den Ovarien. Extrauterine Graviditäten sind gehäufter, ebenso Aborte, Störungen der Plazentation, Erkrankungen des hypertensiven Formenkreises, Retardierungen und Frühgeburtlichkeit.
Vieles deutet darauf hin, dass es sich bei der Endometriose um eine chronische Systemerkrankung handelt.
Sie ist eine in der Diagnostik herausfordernde Erkrankung, die für die Betroffenen oft massive Einschränkungen verursacht. Chronische Schmerzen, psychische Beeinträchtigungen und Sterilitätsprobleme können miteinander vergesellschaftet sein. Deshalb verlangt eine gute medizinische Betreuung eine sorgfältige Anamnese, zielführende Diagnostik und Kooperation mit einem Endometriose-Zentrum. Eine psychosoziale Unterstützung, neben einer Anbindung an ein reproduktionsmedizinisches Zentrum, sind weitere Schwerpunkte in der Therapie.
Die Frage nach der Ätiologie bleibt spannend und wird in Zukunft zielführend für adäquate Therapieansätze sein.
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