Während der zweiten Welle wurden Patienten mit COVID-19 in Deutschland deutlich seltener intensivpflichtig. Eine klar definierte Beatmungsstrategie, Dexamethason und Tocilizumab spielen hier wohl eine wesentliche Rolle.
Viel los auf deutschen Intensivstationen, aber trotzdem positive Entwicklungen: Zwar war die Gesamtauslastung der Intensivstationen in Deutschland während der zweiten COVID-19-Welle deutlich höher, weil viel mehr Regionen gleichzeitig betroffen waren. Laut einer Auswertung von Karagiannidis et al. war der Anteil der hospitalisierten COVID-19-Patienten, die auf die Intensivstation mussten, während der zweiten Welle aber deutlich geringer als noch in der ersten Welle. Das spricht für eine verbesserte Frühtherapie von hospitalisierten COVID-Patienten. An der Mortalität von mechanisch beatmeten Patienten ändert sich dadurch aber leider nichts.
Hauptautor der Veröffentlichung ist Prof. Christian Karagiannidis, Kölner Intensivmediziner und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN). Mit Kollegen hat er die Daten aller COVID-19-Patienten auf deutschen Intensivstationen im Jahr 2020 ausgewertet. Grundlage dafür waren die Daten des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK).
Demnach sank der Anteil an hospitalisierten COVID-19-Patienten, die eine Behandlung auf der Intensivstation benötigten, kontinuierlich von 30 Prozent während der ersten Welle (bis Juni 2020) auf 14 Prozent in der zweiten Welle (bis Dezember 2020). Das entspricht einem relativen Rückgang der Intensivstation-Aufnahmen von mehr als 50 Prozent.
Wie Karagiannidis und Kollegen spekulieren, liegt das an der Etablierung verschiedener Behandlungsmöglichkeiten. So waren etwa die Strategien zur Beatmung in der zweiten Welle klarer definiert als noch in der ersten. Außerdem hat sich die Kortikosteroid-Behandlung (z. B. mit Dexamethason) in der frühstationären Therapie bei schwerkranken Patienten als vorteilhaft erwiesen.
Auch der Einsatz des Interleukin-6-Rezeptor-Inhibitors Tocilizumab u. a. im Gefolge der RECOVERY-Studie könnte zum schrumpfenden ICU-Anteil beigetragen haben: Bei einem Teil der schwerkranken, nicht-invasiv beatmeten Patienten könnten die IL-6-Hemmer möglicherweise das Fortschreiten der Erkrankung bis hin zum Einsatz der mechanischen Beatmung verhindert haben.
Nicht nur sank allgemein der Anteil an COVID-19-Patienten, die auf die Intensivstation mussten, auch der Anteil an mechanisch beatmeten Patienten war während der zweiten Welle relativ gesehen geringer. Der Prozentsatz sank von 64 Prozent im Juni auf 54 Prozent im Dezember. In absoluten Zahlen mussten in der zweiten Welle allerdings doppelt so viele Patienten auf Intensivstationen mechanisch beatmet werden.
Leider hat sich die Prognose der beatmeteten Patienten nicht verbessert: Sobald ein COVID-Patient intensivpflichtig wurde und mechanisch beatmet werden musste, hatte er eine rund 50-prozentige Überlebenschance – egal ob die Person während der ersten oder zweiten Welle auf die Intensivstation verlegt wurde.
Dennoch ist die Untersuchung von Karagiannidis et al. ermutigend. Laut der Autoren war der Rückgang der Intensivstation-Aufnahmen von COVID-19-Patienten wohl ein Schlüsselfaktor bei der Vermeidung von Engpässen und Überlastungen auf deutschen Intensivstationen.
Bildquelle: Christopher Burns, unsplash