Vor ein paar Jahren stellten australische Forscher einen neuen Ansatz zur Prävention und Kontrolle von Tripperkeimen im Rachenraum vor: die Mundspüllösung Listerine®. Neue Ergebnisse bringen jetzt Ernüchterung.
In einigen Ländern werden Gonokokkeninfekte wieder häufiger beobachtet. Bei etwa 70 Prozent der Betroffenen handelt es sich um Männer, die Sex mit anderen Männern haben (MSM). Modellierungen zeigen, dass Übertragungen durch Oralverkehr hier eine wesentliche Rolle spielen.
In Deutschland werden etwa 20–30.000 Erkrankungen pro Jahr angenommen, die Zahl ist in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. Ein Problem hierbei sind oft unbemerkte Racheninfektionen mit Gonokokken. Sowohl in-vitro als auch im klinischen Setting gab es seit einiger Zeit Hinweise, dass sich mit einer einfachen alkoholhaltigen Mundspülung die Zahl der Keime in Mund und Rachen senken lassen soll. Neue Daten sprechen jetzt dagegen.
Der Epidemiologe Eric Chow konnte zusammen mit seinen Kollegen und Arbeitsgruppenleiter Christopher Fairley, einem Infektiologen, in einer 2017 veröffentlichten Publikation vielversprechende Ergebnisse mit der Mundspüllösung Listerine® erzielen. In-vitro konnte eine signifikante Keimzahlreduktion des Erregers Neisseria gonorrhoeae erreicht werden, und auch in einer klinischen Studie mit 196 Probanden zeigte das Mundwasser einen keimzahlreduzierenden Effekt an der Rachenschleimhaut. Die Forscher sahen damals in der täglichen Anwendung der Spüllösung mit einem Alkoholgehalt von 22 % eine Möglichkeit, den Erreger im Rachen einzudämmen und somit einer Ansteckung sowie Weiterverbreitung vorzubeugen.
Jetzt veröffentlichten die Forscher aus Melbourne ihre neuesten Ergebnisse. An der multizentrischen, doppelt verblindeten, randomisierten und kontrollierten Studie waren 446 Patienten aus drei australischen sexualmedizinischen Kliniken beteiligt. Eingeschlossen wurden Männer mit labordiagnostisch bestätigter, oropharyngealer Gonorrhö sowie Probanden zwischen 16 und 24 Jahren, bei denen ein potentieller präventiver Effekt erfasst werden sollte.
Die Teilnehmer wurden randomisiert in zwei Gruppen aufgeteilt, wobei sie entweder täglich mit Listerine® oder mit Biotène®, einer alkoholfreien Mundspüllösung, gurgeln sollten. Letztere galt als Kontrollgruppe. Hierbei sollten die Männer zwölf Wochen lang mindestens einmal täglich für 60 Sekunden mit 20 Millilitern der Lösungen gurgeln. Alle sechs Wochen wurden die Teilnehmer in die Klinik einbestellt, wo oropharyngeale Abstriche entnommen wurden, und alle drei Wochen wurden Speichelproben mittels PCR auf N. gonorrhoeae getestet.
Eine oropharyngeale Gonorrhoe wurde bei zehn (4 %) von den 227 Männern in der Biotène-Gruppe und bei 15 (7 %) der 219 Männer in der Listerine-Gruppe diagnostiziert. Die kumulative Inzidenz einer oropharyngealen Gonorrhoe unterschied sich bei der finalen Probenentnahme in Woche 12 nicht zwischen den beiden Versuchsgruppen (Risikodifferenz von 3,1 % ; 95-%-Konfidenzintervall (1,4 - 7,7)).
Ihre Ergebnisse interpretieren die Autoren so: „Eine Verwendung von Listerine konnte die Häufigkeit, an einer oropharyngealen Gonorrhoe zu erkranken im Vergleich zur Kontroll-Lösung nicht senken. Allerdings deuten frühere Untersuchungen darauf hin, dass die Anwendung von Mundwasser die Infektiosität bei Infizierten reduzieren könnte. Daher sind weitere Studien zur Untersuchung von Mundspülungen und ihrer hemmenden Wirkung auf N. gonorrhoeae gerechtfertigt, um festzustellen, ob sie doch eine potenzielle Rolle für die Prävention von Übertragungen spielen können.“
Ebenfalls keinen Effekt im Vergleich zu Placebo auf die Inzidenz sexuell übertragbarer Infektionen (STI) aller Art hatte Listerine Cool Mint Mundspülung in einer zweiten, doppelblinden Cross-over-Studie vom Institut für Tropenmedizin in Antwerpen. Hier nahmen 343 Probanden teil, die in den letzten 24 Monaten eine STI hatten und zum Zeitpunkt der Erhebung eine Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) einnahmen. Die Studie wurde wegen der COVID-19-Pandemie vorzeitig abgebrochen. Bis zum Studienabbruch gab es keinen Unterschied zwischen den Gruppen: Die Inzidenz von STI betrug 133,9 pro 100 Personenjahre in den Placeboperioden und 147,5 pro 100 Personenjahre in den Listerine-Perioden.Die Ergebnisse wurden im Journal “The Lancet“ veröffentlicht. Ihr findet sie hier (erste Studie) bzw. hier (zweite Studie) und im Text verlinkt.
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