Koffein kann die Folgen von chronischem Stress lindern. Der Wirkstoff wirkt über eine Blockade des Adenosinrezeptors „A2A“. Bei erwachsenen Mäusen, die unter Stresssymptomen litten, führten synthetische Substanzen mit koffeinartiger Wirkung zu einer Besserung der Beschwerden.
Wissenschaftler der portugiesischen Universität Coimbra und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn behandelten Mäuse, die mehrere Wochen unter Stresssymptomen litten, mit Koffein oder einem synthetischen Wirkstoff, der Adenosin-A2A-Rezeptoren blockiert. Die Tiere nahmen die Substanzen mit dem Trinkwasser oder der Nahrung auf. Daraufhin besserten sich die Stresssymptome: Die Nager lösten sich aus ihrer depressiven Erstarrung, waren weniger ängstlich, schnitten bei Gedächtnistests besser ab als die unbehandelte Kontrollgruppe und zeigten auch im Hirnstoffwechsel eine Normalisierung der Botenstoffe und Gehirnzellen.
Bei Stress wird der Adenosinrezeptor „A2A“ im Gehirn hochreguliert und führt zu entsprechenden Symptomen. Die Rezeptoren stellen Proteine dar, an die ganz bestimmte Signalmoleküle binden und dadurch Signalprozesse im Inneren der lebenden Zelle auslösen können. „Wurde in den Mäusen das Gen, das den Rezeptor A2A codiert, stumm geschaltet oder wurde der Rezeptor durch Koffein oder spezifische A2A-Hemmer blockiert, dann klangen die Beschwerden durch den anhaltenden Stress ab“, sagt Prof. Dr. Christa E. Müller vom Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn. Insbesondere verbesserte sich durch die Koffeingaben wieder die Gedächtnisleistung der Tiere. In einer vorangegangenen Studie wurde gezeigt, dass sich Koffein auch positiv auf die Tau-Ablagerungen bei der Alzheimer-Krankheit auswirkt, die letztlich zu den fortschreitenden Gedächtniseinbußen bei dieser Erkrankung führen.
Das Team hat für die aktuelle Stress-Studie die Synthese der Wirkstoffe entwickelt und in größeren Mengen für die Experimente hergestellt. „Die Substanz ist dem Koffein sehr ähnlich, hat aber weniger Nebenwirkungen. Sie blockiert ausschließlich die A2A-Rezeptoren und wirkt deutlich stärker als das Koffein“, berichtet Prof. Müller. Der Wirkstoff wurde den Mäusen nicht in großen Mengen verabreicht, sondern entfaltete schon in geringerer Dosierung seinen Effekt. Intuitiv nutzen viele Menschen die Adenosinrezeptoren blockierende Wirkung von Koffein: „Die Erfahrung zeigt: Wer unter Stress steht, trinkt meist mehr Kaffee oder Tee. Weil in beiden Getränken Koffein enthalten ist, handelt es sich dabei um so etwas wie eine Eigenbehandlung der Betroffenen“, sagt Prof. Müller. Der Koffeingenuss in höherer Dosierung sei zwar auch mit Nebenwirkungen verbunden, aber gegen ein paar Tassen Kaffee oder Tee täglich sei für ansonsten gesunde Personen nichts einzuwenden.
Beim Koffein könne es sich um einen sehr interessanten Ansatzpunkt für die Entwicklung neuartiger Stresstherapien handeln, blickt Prof. Müller in die Zukunft. Inwieweit die Substanz zur Behandlung der Folgen von größerem Stress beim Menschen – etwa von der Verbesserung der Gedächtnisleistung bis hin zur Therapie von posttraumatischen Belastungsstörungen – hilfreich sein könnte, müssten jedoch erst noch klinische Studien erweisen. Originalpublikation: Caffeine acts through neuronal adenosine A2A receptors to prevent mood and memory dysfunction triggered by chronic stress Manuella P. Kaster et al.; Proceeding of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.1423088112; 2015