Chemiker der Universität Regensburg haben weitere Funktionen von ATP entdeckt und ein komplexes Wechselspiel verschiedener Effekte nachgewiesen. Die Erkenntnisse könnten helfen, die Verläufe von Alzheimer und Parkinson zu verlangsamen.
Das Molekül Adenosintriphosphat, kurz ATP, ist als Energiewährung lebender Zellen bekannt und spielt eine wichtige Rolle für die Funktion vieler molekularer Maschinen im Körper.
Erstaunlicherweise ist die zelluläre Konzentration an ATP aber erheblich größer als für diese Funktion unmittelbar erforderlich, daher gibt es seit geraumer Zeit Vermutungen über weitere, sekundäre Funktionen. Dabei fiel das Augenmerk auf den Einfluss von ATP auf die Stabilität und das Aggregationsverhalten von Proteinen in Zellen.
Im Adenosin hat ATP unpolare, hydrophobe Gruppen, während die Triphosphatgruppe sehr gut wasserlöslich ist. Aufgrund dieser amphiphilen Struktur wurde von Wissenschaftlern in einer 2017 erschienenen Veröffentlichung angenommen, dass ATP eine tensidähnliche Wirkung zeigt.
Damit könnte die beobachtete Stabilisierung von aggregationsanfälligen Proteinen, wie sie zum Beispiel für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer eine Rolle spielen, erklärt werden.
Eine Gruppe ChemikerInnen um Johannes Mehringer und Tuan-Minh Do an der Universität Regensburg hat jetzt den tatsächlichen Wirkmechanismus von ATP bei solchen Proteinen aufgeklärt und gezeigt, dass eine klassische Hydrotropie nicht vorliegt, sondern es sich um ein komplexes Wechselspiel verschiedener Effekte und Phänomene handelt.
Für viele Proteine ist eine Umlagerung zu einer β-faltblattreichen Konformation der erste Schritt zur Aggregation bzw. Fibrillierung. Dabei lagern sich mehrere derartig fehlgefaltete Peptide zu großen Aggregaten zusammen, die oft eine faserartige, als Amyloid bekannte Struktur annehmen.
Dieser Vorgang wird in Verbindung mit einer Reihe von Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson gebracht. ATP kann hier eine Aggregation zum Teil unterdrücken, indem sich der Adenin-Teil des Moleküls zwischen die Strukturen schiebt. Eine Wechselwirkung zwischen den elektronischen π-Systemen in Adenin bzw. in den β-Faltblättern spielt hier die entscheidende Rolle.
Für diesen Effekt ist der amphiphile Charakter des ATPs nicht maßgeblich, sodass eine tensidartige Wirkung ausgeschlossen scheint. Dagegen haben die spezifischen Ioneneffekte und die starke Hydratisierung der Phosphatgruppen einen weiteren wichtigen Einfluss.
Um zu diesen Erkenntnissen zu kommen, erwies sich die Kombination aus detaillierten Computersimulationen mit einer Vielzahl von Experimenten als überaus fruchtbar. Basierend auf der Aufklärung des Wirkmechanismus werden derzeit weitere Moleküle getestet, die eventuell eine Fibrillierung und damit vielleicht den Ausbruch von neurodegenerativen Krankheiten verhindern oder verlangsamen könnten.
Dieser Text beruht auf einer Pressemitteilung der Universität Regensburg. Hier geht es zur Originalpublikation.
Bilquelle: Javier García, Unsplash