Um in-vitro-befruchtbare Keimzellen einer Spezies wachsen lassen zu können, müssen Forscher die natürliche Entwicklung nachbilden. Das war bisher nur bei Mäusen möglich. Neue Ergebnisse zur Hauskatze bringen Wissenschaftler jetzt weiter.
Die Erzeugung lebender Embryos mithilfe künstlicher Reproduktionstechnologien ist ein wichtiger Baustein zum Erhalt von Säugetierarten, die vom Aussterben bedroht sind. Um in vitro eine ausreichende Anzahl befruchtungsfähiger weiblicher Keimzellen wachsen zu lassen, müssen Wissenschaftler die natürliche Entwicklung der Ovarialfollikel nachbilden, beim primordialen Stadium angefangen. Nun liegt die erste umfassende Genexpressions-Analyse (Transkriptom) von frühen Ovarialfollikeln der Hauskatze vor.
Die Analyse gibt einen Einblick in grundlegende Mechanismen, die Follikelaktivierung und -wachstum auslösen könnten. Die Forschungsarbeit, die von Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) und dem Berliner Zentrum für Genomik in der Biodiversitätsforschung (BeGenDiv) durchgeführt wurde, ist ein wesentlicher Schritt auf dem Weg, das Eizellenwachstum in vitro zu unterstützen.
Um Embryos in vitro zu erzeugen, gewinnen Spezialisten zurzeit Eizellen aus den Ovarialfollikeln der antralen Entwicklungsstadien. Allerdings erreichen nur weniger als ein Prozent aller verfügbaren Follikel während ihres Lebenszyklus dieses Stadium auf natürlichem Wege und die Zahl solcher Follikel nimmt mit steigendem Alter der Weibchen ab. Primordialfollikel stellen eine tausendfach größere Eizellenquelle dar, bleiben aber im Ruhezustand, wenn sie nicht ein spezifisches biomolekulares Aufwach-Signal erhalten.
In einem weiblichen Organismus wird sich unter natürlichen Umständen nur ein Bruchteil der Follikel aus diesem Pool aktivieren und in nachfolgenden Follikelentwicklungsphasen übergehen, um sich schließlich zu einem präovulatorischen Folikel zu entwickeln, der eine gereifte Eizelle beim Eisprung freisetzt. Die vollständige Wiederholung dieses Prozesses außerhalb lebender Organismen, von der Aktivierung und dem Wachstum primordialer Follikel bis zur Bildung eines lebenden Organismus, ist bisher nur bei Mäusen gelungen.
Fehlende Kenntnisse über biomolekulare Faktoren und Signalkaskaden zwischen Zellen, die an diesem Prozess in vivo beteiligt sind, verhinderten bisher die Anwendung bei anderen Säugetierarten. Das Wissenschaftsteam der Abteilung für Reproduktionsbiologie des Leibniz-IZW hat zusammen mit den Bioinformatikern vom BeGenDiv den kompletten Satz der RNA-Transkripte in den Ovarialfollikeln von Hauskatzen (Felis catus) in drei frühen Entwicklungsstadien – Primordial-, Primär- und Sekundärfollikel – analysiert.
„Wir haben anhand unserer RNA-Sequenzierungsdaten herausgefunden, dass nicht nur verschiedene Signalwege eine Rolle spielen, sondern auch die unmittelbare Umgebung die Aktivierung der primordialen Follikel stark regulieren kann“, erklärt Shauna Kehoe, Erstautorin des kürzlich in der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlichten Artikels.
„Primordiale Follikel sind in einem beengten und begrenzten Bereich im Eierstock lokalisiert, aber sobald sie den Platz bekommen, sich zu bewegen und die richtigen Signale aus ihrer Umgebung erhalten, könnten sie in einen aktivierten Zustand und somit in die primäre Phase übergehen.“
Das Wissenschaftsteam isolierte Eierstockfollikel aus Proben von Katzen-Ovarien, die laufend nach Routine-Kastrationen gesammelt werden, und extrahierte dann die RNA aus Follikeln jedes Typs. Mithilfe der RNA-Sequenzierungstechnik erstellte das Team eine Momentaufnahme der Gene, die in den Follikeln zu diesem Zeitpunkt exprimiert wurde. Das Team verglich, wie das Vorkommen der RNA-Transkripte in primordialen, primären und sekundären Follikeln variiert.
Das Team konnte hoch exprimierte und zwischen den Follikelstadien unterschiedlich stark exprimierte Gene identifizieren und ihren Genprodukten spezifische biologische Funktionen und Prozesse, die in den Follikeln ablaufen, durch funktionelles Annotations-Clustering zuordnen.
Die entdeckten Zusammenhänge auf molekularer Ebene zwischen dem Ruhezustand der Primordialfollikel und ihrer Aktivierung und nachfolgendem Wachstum bieten neue Ansätze, um mögliche Schlüsselsignale während des Follikelwachstums zu untersuchen.
„Wenn wir verstehen, welche chemischen Signale und welche Umgebung der Follikel für die Aktivierung benötigt und damit, welche Zusätze in das Medium gegeben werden müssen, um sein Wachstum in vitro zu fördern, können wir eine Massenaktivierung von ruhenden Follikeln induzieren und auf diese Weise die Anzahl der reifen Eizellen erhöhen, die für die Embryonenproduktion zur Verfügung stehen“, erklärt Beate Braun, Wissenschaftlerin am Leibniz-IZW und Seniorautorin dieser Forschungsarbeit.
Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text verlinkt.
Dieser Text beruht auf einer Presemitteilung des Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW).
Bildquelle: Sahand Babali, unsplash