Nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 ist das postoperative Sterblichkeitsrisiko erhöht. Chirurgen müssen sich deshalb gedulden, wie eine weltweite Studie zeigt.
Bereits im Mai 2020 belegten erste Daten des Forschungsnetzwerks COVIDSurg, dass Patienten mit einer Coronavirus-Infektion bei chirurgischen Eingriffen eine erhöhte Sterblichkeit aufweisen. In einer der bislang größten internationalen Beobachtungsstudien konnte das Forschungsteam nun aktuell herausfinden, dass planbare Operationen von positiv auf SARS-CoV-2 getesteten Personen um mindestens sieben Wochen aufgeschoben werden sollten, um das postoperative Sterblichkeitsrisiko zu senken. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Anaesthesia veröffentlicht.
Operationen, die bis zu sechs Wochen nach einer Infektion mit dem Coronavirus erfolgen, sind mit einer erhöhten Sterblichkeit verbunden. Demnach liegt bei Patienten mit positivem Coronavirus-Testbefund während dieses Zeitraums ein mehr als zweieinhalbfach erhöhtes Risiko vor, in Folge einer Operation zu versterben – unabhängig von einer anhaltenden Erkrankungssymptomatik. Für die Studie hat das Forschungsteam unter der Leitung der Universität Birmingham Daten von 140.727 Personen aus 1.674 Kliniken in insgesamt 116 Ländern erhoben und ausgewertet. Zeitpunkt der Erhebung war Oktober 2020.
Von den in der Studie eingeschlossenen Personen waren 2,2 Prozent zu verschiedenen Zeitpunkten positiv getestet worden, die restlichen 97,8 Prozent waren nicht mit dem Virus infiziert und bildeten die Vergleichsgruppe. Die Mortalität innerhalb von 30 Tagen nach einem chirurgischen Eingriff (Studienendpunkt) betrug demnach bei den negativ getesteten Personen nur 1,5 Prozent.
Die entsprechende Sterblichkeit bei den Personen, die während der ersten vier Wochen nach einer Coronavirus-Infektion operiert wurden, betrug dagegen vier Prozent und nach fünf bis sechs Wochen immer noch 3,6 Prozent. Die Mortalität sank erst sieben Wochen nach dem Infektionsnachweis wieder auf das Ausgangsniveau von 1,5 Prozent ab.
Diese Ergebnisse waren über alle Altersgruppen und unabhängig von der Schwere der Begleiterkrankung, der Dringlichkeit und vom Ausmaß des Eingriffs konsistent. Jedoch wiesen Patienten mit anhaltenden COVID-19-Symptomen auch noch nach sieben Wochen eine mit sechs Prozent stark erhöhte Mortalität auf, im Gegensatz zu Personen, bei denen die Symptome bereits abgeklungen waren (2,4 Prozent) bzw. die trotz Infektion ohne Erkrankungssymptome blieben (1,3 Prozent).
Entsprechend rät das Forschungsteam bei positivem Coronavirus-Nachweis, planbare Operationen um mindestens sieben Wochen zu verschieben und abzuwarten, bis entsprechende COVID-19-Symptome abgeklungen sind. „Allerdings ist es absolut essenziell, die Entscheidung über den Aufschub einer Operation für jeden Patienten und jede Patientin individuell zu treffen“, so Prof. Alfred Königsrainer, klinischer Leiter der Studie in Tübingen und Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie. „Die Risiken und der mögliche Nutzen einer verzögerten Operation nach einem Coronavirus-Nachweis müssen in jedem Einzelfall genau abgewogen werden.“
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikum Tübingen. Die Studienergebnisse sind im Text und hier verlinkt. Bildquelle: Rendy Novantino, Unsplash