„Dumm und dämlich verdient“ habe er sich mit den Masken, verkündete Apotheker Detlef Glaß in den Medien. Wie unbeliebt kann man sich eigentlich machen?
Er wird vermutlich zu einem in Apothekerkreisen meistgehassten Kollegen: Apotheker Phr. Dr. rer. nat. Detlef Glaß. Grund ist die Maskenverteilaktion der Bundesregierung, bei der die Apotheken vor Ort im Dezember und Januar 6 Euro pro Maske erhielten. Gegenüber der Tagesschau berichtete Glaß, Besitzer von drei Apotheken in Berlin, freimütig: „Wir haben die Masken für ein Euro bis 1,50 Euro eingekauft.“ Dabei sei die Rechnung „sehr gut aufgegangen […]. Wir haben uns dumm und dämlich verdient.“
Dieser Satz sitzt erst einmal und hatte ein geteiltes Echo in der Öffentlichkeit und bei den Apotheken zur Folge. Ist das wirklich so? Sitzen jetzt überall die Apotheker mit einem breiten Grinsen im Gesicht in ihren Pillenpuffs und freuen sich ob der Dämlichkeit der Bundesregierung? Ich werde darauf noch zu sprechen kommen.
Die Meldung der Tagesschau wird sogar noch brisanter, wenn man weiterliest, wie dieser Preis eigentlich zustande gekommen ist. Nicht die ABDA hatte ihn nach schwerem Ringen ausgehandelt, der Bund hatte ihn nach der Empfehlung auf der Basis einer Preisprobenstichanalyse von den Wirtschaftsprüfern Ernst & Young (EY) festgelegt. Diese nutzten dabei offenbar so seriöse Quellen wie idealo.de, geizhals.de, restposten.de und Presseartikel als Basis für ihre Empfehlung.
Im Tagesschau-Artikel wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass Jens Spahn bereits im Dezember von unterschiedlichen Seiten darauf aufmerksam gemacht wurde, dass der Preis zu hoch angesetzt zu sein scheint. Er soll darauf jedoch nicht eingegangen sein und habe am Preis von 6 Euro festgehalten. Diese Aktion wird den Steuerzahler rund zwei Milliarden Euro kosten. Ob diese Praxis der Informationsbeschaffung zu marktüblichen Preisen wie sie EY getätigt hat, nun Schule machen wird? Ich dachte eigentlich immer, so etwas ist das Ergebnis tiefgreifender Recherchen und Anfragen zu den jeweiligen Produktionskosten bei den Herstellerfirmen. Offenbar genügt es jedoch, einfach nur zu googeln.
Verwunderlich ist für mich allerdings die große Aufregung, die zum jetzigen Zeitpunkt um dieses Thema gemacht wird. Denn die Frage nach der Rechtfertigung für den Maskenpreis wurde bereits im Januar ausführlich beantwortet. Genau dazu hatte die Grünen-Fraktion nämlich eine Kleine Anfrage im Bundestag gestellt, die am 22. Januar 2021 durch den Staatssekretär Thomas Gebhart beantwortet wurde. Er wies darauf hin, dass „bei der Festsetzung der Vergütungshöhe die Beschaffungskosten, die Kosten für die Beratungsleistung gegenüber den Anspruchsberechtigten und die Kosten für den Abrechnungsweg über die Apothekenrechenzentren zu berücksichtigen“ waren.
Die Vor-Ort-Apotheken sind seiner Aussage in besonderer Weise gefordert, Hygiene-Konzepte sowohl zum Schutz der Mitarbeiter:innen als auch der Kund:innen umzusetzen. Außerdem betont er, dass der Tatsache Rechnung getragen wird, dass ein zusätzlicher Aufwand durch eine gegebenenfalls notwendige Umverpackung von Schutzmasken entsteht, da Packungsgrößen von drei oder sechs Schutzmasken auf dem Markt kaum erhältlich sind.
Darüber hinaus soll der Erstattungsbetrag dem BMG zufolge einen Anreiz für die Apotheker:innen bieten, sich an der mit zusätzlichem Aufwand verbundenen Abgabe der Schutzmasken zu beteiligen, da die Apotheken auch das wirtschaftliche Risiko der Abgabe der Masken tragen. Abgesehen davon steckten sich auch die Apotheken-Abrechenzentren noch einen kleinen Anteil vom ausgezahlten Geldsegen in die eigene Tasche.
Nun zu den Einlassungen des Berliner Apothekers. Aufgrund der typisch medialen Aufbereitung gehe ich zu seinen Gunsten erst einmal nicht davon aus, dass er aussagen wollte, dass sich alle Apotheken dumm und dämlich verdient haben. Das können tatsächlich nur sehr große Apotheken gewesen sein, die zusammen mit ihren Filialen große Stückzahlen einkaufen und abnehmen können. Im Dezember richtete sich die ausgezahlte Vergütung nämlich nicht nach der Anzahl der abgegebenen Masken, sondern nach der Anzahl der abgegebenen Rx-Packungen im dritten Quartal des Jahres 2020, nämlich pauschal 2,825858034 Euro pro abgegebener Rx- Packung.
Hat Dr. Glaß nun nach eigener Aussage etwa 170.000 Euro eingenommen, dann hat er im 3. Quartal in seinen drei Apotheken etwas mehr als 60.000 Rx-Packungen abgegeben, was deutlich über dem Schnitt einer Durchschnittsapotheke liegt. Die hat sich nämlich nur 25.000 Euro eingesteckt und diese auch mit einem erheblichen Mehraufwand an Personal, Zeit, Nerven und Lagerkapazität bezahlt. Und diese Durchschnittsapotheke konnte auch nicht die wunderbar niedrigen Maskenpreise des Großeinkäufers Dr. Glaß erzielen. Das zeigen zahlreiche Kommentare in den sozialen Medien wo sich die Apotheker:innen fragen: „Bin ich hier eigentlich der einzige Depp, der 5 Euro Einkaufspreis bezahlt hat?“
Dass die 6 Euro zu Beginn der Maskenausgabe sehr viel Geld waren, mit dem die Apotheken nicht gerechnet hatten, zeigt dann die anschließende Preisentwicklung. Bereits für den zweiten Beratungsschein gab es nämlich nur noch 3,90 Euro pro Maske. Die ein oder andere Apotheke hatte den unerwarteten Geldsegen allerdings auch bitter nötig, denn es gab pandemiebedingt teilweise gewaltige Einbrüche beim Verkauf von Erkältungsprodukten.
Von „dumm und dämlich verdienen“ kann allerdings keine Rede sein. Viele Apotheken investieren den Gewinn aus dem Maskenverkauf nun in den Aufbau von Corona-Teststationen, die bei einer Vergütung von 12 Euro für die Auswertung und Dokumentation und der Übernahme der realen Testkassetten-Kosten eher ein Non-Profit-Geschäft sein wird, das zum Teil erst viele Monate nach der Bereitstellung der Leistungen durch die KV vergütet wird. Auch Dr. Glaß beteiligt sich mit seiner Schildhorn Apotheke an den Testungen. In einem Interview betonte er, er mache das, „ohne zu wissen, ob (er) von der Krankenversicherung Geld bekomme“. Er hat ja zum Glück jetzt offenbar genug davon.
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