Jeder Interferon-Typ beeinflusst die Kolitis unterschiedlich. Während Typ-I-Interferone eine untergeordnete Rolle spielen, haben Gewebshormone der Typen II und III wichtigere, aber komplett konträre Funktionen. Auch die Rolle des Lockstoffes CXCL10 ist nicht unerheblich.
Die Aufgaben der Mikroorganismen im Darm sind vielfältig: sie verdauen aufgenommene Nahrung, bilden Nährstoffe, schalten Schadstoffe aus und sind Teil des menschlichen Immunsystems. Kommt das Gleichgewicht dieser Mikroorganismen durcheinander, sind Bauchschmerzen, Verstopfung oder Durchfall die Folge. In der westlichen Welt führen ungesunde Ernährung, wenig Bewegung, Stress und übermäßige Einnahme von Antibiotika zudem zu stetig steigenden Zahlen von Patienten mit chronischen Darmerkrankungen wie Kolitis. Bei Kolitis handelt es sich um eine chronische Entzündung des Darms, die mit entzündungshemmenden Medikamenten behandelt wird. Die Signalwege dieser Entzündungsreaktion sind jedoch immer noch nicht vollständig aufgeklärt. Neue Erkenntnisse dazu könnten wichtige Hinweise auf bessere oder gar völlig neue Behandlungsmöglichkeiten liefern. Forscher um Thomas Decker von den Max F. Perutz Laboratories der Universität Wien haben nun die Rolle der Interferone bei der Entstehung von Kolitis untersucht. „Es gibt drei Typen von Interferonen – unsere Versuche haben gezeigt, dass jeder Typ die Kolitis unterschiedlich beeinflusst. Interferone vom Typ I spielen eine nur geringe Rolle, während Typ II die Entzündung verstärkt und Typ III wiederum vor der Entzündung schützt“, erklärt Decker.
Die Wissenschaftler untersuchten anschließend, wie die unterschiedlichen Rollen der verschiedenen Interferon-Typen bei einer Kolitis vermittelt werden. Isabella Rauch, Postdoc und eine der Erstautoren der Studie erläutert: „Unsere Vermutung war, dass das Molekül IRF9, welches die Signale der Typ I- und III-Interferone und somit die schützende Funktion bei den Entzündungsreaktionen einer Kolitis vermittelt, hierbei eine zentrale Rolle spielt.“ Kollege und gemeinsamer Erstautor Felix Rosebrock fügt hinzu: „Was wir jedoch fanden war, dass IRF9 bei Kolitis nicht in erster Linie die Signale der Typ-I- und III-Interferone vermittelt, sondern jene von Typ II und somit die Entzündung sogar verschlimmert“. Die Forscher konnten zeigen, dass die Typ-II-Interferon-Signale zur Ausschüttung des Lockstoffes CXCL10 führen, der Zellen anlockt, welche die Entzündung verschlimmern.
Die Ergebnisse der Studie geben auch neue Impulse für die Behandlung von Kolitis. Sie untermauern einerseits die Erfolgsaussichten einer klinischen Studie von Antikörpern, die den Lockstoff CXCL10 in seiner Funktion hemmen, deuten aber auch darauf hin, dass eine direkte Verabreichung von Typ-III-Interferonen vor den Entzündungsreaktionen als Auslöser einer Kolitis schützen könnte. Originalpublikation: Noncanonical effects of IRF9 in intestinal inflammation: more than type I and type III interferons Isabella Rauch et al.; Molecular and Cellular Biology, doi: 10.1128/MCB.01498-14; 2015