Um dem Mangel an Spenderorganen entgegenzuwirken, haben die Niederlande ein neues Gesetz verabschiedet. Das macht jeden Volljährigen automatisch zum Organspender, sofern er nicht widerspricht. Ist das die Lösung für die niedrige Spendenbereitschaft in Deutschland?
„Jeden Tag sterben drei Menschen, die auf ein Spenderorgan warten. Und wir sehen dabei zu“, kritisiert Dr. Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe. „Wir könnten gute Ergebnisse erzielen, wenn wir ausreichend Organe hätten.“ Doch danach sieht es nicht aus. Im vergangenen Jahr gab es deutschlandweit 797 Organspender, 60 weniger als im Jahr zuvor. Die Anzahl der gespendeten Organe ist um 9,5 Prozent auf 2594 gesunken. Im Jahr 2016 waren es noch insgesamt 2867 Organe.
„Jedes Spenderorgan – ob Niere, Herz, Lunge oder Leber – bedeutet für einen schwer kranken Patienten auf der Warteliste eine neue Lebenschance“, gibt Dr. Axel Rahmel von der DSO zu bedenken. „Gleichzeitig sind wir dem Verstorbenen gegenüber verpflichtet, seinen Willen zur Organspende zu beachten und umzusetzen.“ Genau hier liegt das Problem: Bei uns greifen sogenannte Zustimmungsregelungen. Potenzielle Organspender müssen zu Lebzeiten ihr Einverständnis erklärt haben. Im Zweifelsfall entscheiden Angehörige der Verstorbenen. Seit Ende 2012 müssen gesetzliche und private Krankenversicherungen ihre Mitglieder ab 16 Jahren alle zwei Jahre nach ihrer Entscheidung zur postmortalen Organspende befragen. Mit dieser Entscheidungsregelung isoliert sich Deutschland mehr und mehr von anderen europäischen Staaten. Vor wenigen Wochen haben sich auch die Niederlande als 18. EU-Staat zur sogenannten Widerspruchslösung bekannt. Das neue Gesetz sieht vor, alle Bürgerinnen und Bürger schriftlich nach ihrer Bereitschaft zur Organspende zu befragen. Wer keine Einsprüche geltend macht, kommt als potenzieller Spender infrage. Dabei berufen sich niederländische Parlamentarier vor allem gute Erfahrungen aus Spanien. Durch die Widerspruchslösung lag die Bereitschaft dort zuletzt bei 46,9 Spendern auf eine Million Bürger. In Deutschland sind es gerade einmal 10,4 auf eine Million, Tendenz weiter sinkend.
Mediziner bewerten die niederländische Gesetzesänderung weitgehend positiv. Dr. Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, spricht vom „konsequenten und richtigen Weg“. Angesichts einer stetig sinkenden Bereitschaft zur Organspende sei dies eine „glänzende Bewegung und begrüßenswerte Entscheidung“. Kritik kommt von Wolfram Höfling, einem Mitglied des deutschen Ethikrats. Die fehlende Bereitschaft zur Organspende käme durch mangelndes Vertrauen in das bestehende System zustande. „Die Reformen waren unzureichend, und die Strukturen sind nach wie vor undemokratisch und intransparent.“ Für Höfling ist gerade Spanien ein schlechtes Beispiel. Dort dürften auch nach einem Herztod Organe entnommen werden. Gleichzeitig warnt der Experte: „Vor dem Hintergrund unserer Geschichte bestehen große Vorbehalte gegenüber eine staatlichen Verfügungsmacht über den menschlichen Körper.“