Der Impfstoff von AstraZeneca schneidet in einer lang erwarteten Studie besser ab als erwartet – aber das scheint nicht alle zu überzeugen. Dänemark etwa setzt die Impfungen weiter aus. Die Lage an der Injektionsnadel bleibt verworren.
Es gibt neue Daten zum AstraZeneca-Vakzin: Die Ergebnisse der schon länger angekündigten Phase-III-Studie zum Impfstoff ChAdOx1 zeigen erneut, dass das Vakzin sicher und wirksam ist. Das ist einer Pressemitteilung der Oxford Universität zu entnehmen. Die Untersuchung wurde in den USA, Chile und Peru durchgeführt und ergänzt frühere Studiendaten aus Großbritannien, Brasilien und Südafrika.
In der Studie, für die über 32.000 Freiwillige aller Altersgruppen rekrutiert wurden, erhielten die Teilnehmer entweder zwei Standarddosen des Impfstoffs von Oxford-AstraZeneca oder einen Placebo-Impfstoff, mit einem Abstand von vier Wochen zwischen den Dosen. Die Daten zeigen, dass der Impfstoff zu 79 % vor einer symptomatischen COVID-19-Erkrankung und zu 100 % vor schweren oder kritischen symptomatischen Verläufen schützt.
In vorherigen Analysen war von einer Wirksamkeit von rund 60 % ausgegangen worden. AstraZeneca und die University of Oxford erklären den Unterschied unter anderem damit, dass die Effektivitäts-Definition in Richtung derer, die in anderen Impftstoffstudien genutzt wird, angepasst wurde. Genauere Aussagen lässt die Pressemitteilung noch nicht zu. Die Daten seien aber zum Peer Review eingereicht.
Insbesondere aus deutscher Sicht sticht hervor, dass etwa 20 % der Teilnehmer 65 Jahre und älter waren. Diese Population war in der ersten Phase-III-Studie zum AstraZeneca-Impfstoff stark unterrepräsentiert. Das hatte die STIKO veranlasst, die Verimpfung nur für unter 65-Jährige zu empfehlen. Rund 60 % der Teilnehmer an der US-Studie hatten außerdem Vorerkrankungen wie Diabetes, starkes Übergewicht oder Herzerkrankungen.
Die Oxford-Universität schreibt: „Die Ergebnisse ergänzen die umfangreichen Sicherheitsdaten, die sowohl in früheren Studien als auch bei der Einführung des Impfstoffs in der Praxis gesammelt wurden. Das unabhängige Data and Safety Monitoring Board (DSMB) meldete keine Sicherheitsbedenken bei den Teilnehmern, die mindestens eine Dosis des Impfstoffs erhielten.“
AstraZeneca plant jetzt, eine Notfallgenehmigung bei der US-Amerikanischen FDA zu beantragen. Das Unternehmen bereite sich schon auf „die Auslieferung von Millionen von Dosen in ganz Amerika“ vor.
Derweil meldet Dänemark zwei weitere Fälle von Blutgerinnseln und damit verbundenen Hirnblutungen nach Impfungen mit dem Vakzin von AstraZeneca bei zwei Krankenhausmitarbeitern. Einer der zwei Betroffenen ist laut der zuständigen Behörde in Kopenhagen gestorben. Laut einer dänischen Boulevardzeitung handele es sich bei einer der betroffenen Personen um eine 30 Jahre alte Frau. Bei beiden Krankenhausmitarbeitern seien weniger als 14 Tage nach der Impfung Symptome aufgetreten. Details nennt die dänische Arzneimittelaufsicht bisher nicht. Dänemark will angesichts der Vorfälle den Astrazeneca-Impfstoff vorerst nicht nutzen, trotz grünem Licht der EMA. Die beiden Thrombose-Fälle werden untersucht.
Die Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung e.V. (GTH) hat am Freitag eine aktualisierte Stellungnahme herausgebracht, nachdem die EMA beschloss, das AstraZeneca-Vakzin wieder freizugeben. Dort erklärt sie: „Durch die Impfung kommt es wahrscheinlich im Rahmen der inflammatorischen Reaktion und Immunstimulation zu einer Antikörperbildung gegen Plättchenantigene. Diese Antikörper induzieren dann abhängig oder unabhängig von Heparin über den Fc-Rezeptor eine massive Thrombozytenaktivierung in Analogie zur heparininduzierten Thrombozytopenie (HIT).“ Die GTH bezieht sich hier auf die Ergebnisse der Greifswalder Arbeitsgruppe um Andreas Greinacher. Dieser Mechanismus der HIT mimicry sei bei vier der Patienten mit einer Hirnvenenthrombose nach der Impfung mit dem AstraZeneca COVID-19 Vakzin nachgewiesen worden.
„Wie bei der klassischen HIT treten diese Antikörper 4 – 16 Tage nach der Impfung auf. Dieser Pathomechanismus schließt zwar nicht aus, dass den Sinusvenenthrombosen nach der Impfung auch andere Ursachen zugrunde liegen; er bildet aber die Grundlage für die [...] aktualisierten Feststellungen und Empfehlungen“, schreibt die GTH weiter.
Im Weiteren begrüßt die GTH das wiederaufnehmen der Impfungen mit dem Vakzin. Patienten mit einer positiven Thromboseanamnese und/oder einer bekannten Thrombophilie hätten, trotz der immunologischen Genese der Sinus-/Hirnvenenthrombosen nach einer Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff kein erhöhtes Risiko, diese spezifische und sehr seltene Komplikation zu erleiden.
Wichtige Untersuchungen im Verdachtsfall seien insbesondere ein Blutbild mit Bestimmung der Thrombozytenzahl, ein Blutausstrich, D-Dimere und ggf. eine weiterführende bildgebende Diagnostik (z.B. cMRT). Auch solle bis zum Ausschluss einer (autoimmunen) HIT, auf eine Antikoagulation mit Heparinen verzichtet und auf alternative, HIT-kompatible Präparate ausgewichen werden, sofern klinische Situation, Verfügbarkeit und Erfahrung es zulassen.
Kommt es trotz allem zu einer Sinusvenenthrombose, gibt es eine Therapieempfehlung: Mit intravenösen Immunglobulinen (IVIG) in einer Dosis von 1g/kg Körpergewicht pro Tag an zwei aufeinanderfolgenden Tagen könne die Immunreaktion wahrscheinlich durchbrochen werden.
Die gesamte Stellungnahme der GTH mit den Empfehlungen findet ihr hier und im Text verlinkt.
Mehr Infos zum „Impf-Stop-and-go“ findet ihr hier:
Bildquelle: Ben White, unsplash