Bei Patienten mit unklarer Schlaganfallursache und Vorhofseptumdefekt ist die Antikoagulation einer Plättcheninhibition vorzuziehen. Das könnte sich ändern: In einer neuen Studie überrascht ASS.
Ein persistierendes Foramen ovale (PFO), auch als Vorhofseptumdefekt bekannt, findet sich häufig bei Schlaganfallpatienten. Es kann hier zu paradoxen Embolien kommen: Thromben gelangen über die Öffnung aus dem rechten in den linken Vorhof, Embolien im arteriellen Schenkel des Blutkreislaufs sind die Folge.
Patienten mit PFO sind somit zu Schlaganfällen prädisponiert. Die Thromben können sich unbemerkt und ohne spezifische Lokalisation im Venensystem bilden und von ihrem Entstehungsort (z. B. in den Beinen) mit dem Blutstrom in die Hirnarterien gelangen. Hier besteht die Gefahr eines ischämischen Schlaganfalls (Hirnembolie).
Wird keine Emboliequelle gefunden, gilt der Fall als ESUS (Embolic Stroke of Undetermined Source). „ESUS ist operational definiert“, so Prof. Hans-Christoph Diener, Direktor der Abteilung für Neuroepidemiologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg Essen. Die Diagnose umfasst:
Bei ESUS sollte immer auch an ein PFO gedacht werden; laut Diener macht ESUS etwa 30 % aller Schlaganfälle aus, bei Schlaganfallpatienten unter 60 Jahren haben circa 30 % ein PFO. Im Falle eines ESUS sind damit tendenziell mehr Patienten von einem PFO betroffen als generell (ca. 15–35 %). Das liege auch daran, dass es sich hier um jüngere Patienten handelt und die Prävalenz des PFO mit dem Alter zurückgehe, so Diener weiter.
Ein PFO kann zur Prophylaxe erneuter Schlaganfälle interventionell verschlossen werden. Eine Alternative ist die medikamentöse Therapie mit Antikoagulanzien oder Thrombozytenaggregationshemmern. Laut bisheriger Studienlage ist bei ESUS-Patienten mit PFO die Antikoagulation einer Plättcheninhibition vorzuziehen.
Das stellen die Ergebnisse einer aktuellen Arbeit jetzt infrage: Darin untersuchten Diener und sein Team Daten aus der RE-SPECT ESUS-Studie, einer randomisierten, doppelblinden Evaluation zur Schlaganfall-Sekundärprävention mit über 6.000 teilnehmenden ESUS-Patienten und in Zusammenarbeit mit etwa 550 Schlaganfallzentren. Für ihre Analyse filterten Diener und Kollegen eine präspezifizierte Subgruppe der RE-SPECT ESUS-Studie mit etwa 5.000 ESUS-Patienten heraus.
Die Gruppe bestand aus Patienten mit und ohne PFO und wurde zu gleichen Teilen randomisiert. Die Probanden erhielten zur Sekundärprävention entweder Dabigatran (direktes Antikoagulans, 110 bzw. 150 mg 2x/Tag) oder ASS (100 mg 1x/Tag). Als primärer Endpunkt wurde die Rate der Schlaganfallrezidive gesetzt. Auch die Rate ischämischer Schlaganfälle von Teilnehmern mit und ohne PFO wurde erfasst.
Von den 5.388 Probanden hatten 680 ein PFO (12,6 %). Davon waren 319 von insgesamt 2.694 Personen (11,8 %) in der Dabigatran-Gruppe und 361 von 2.694 (13,4 %) in der ASS-Gruppe. Die Gruppe mit PFO war im Mittel jünger und der Anteil an Patienten unter 60 Jahren war höher. Diese Personen hatten weniger Schlaganfälle und wiesen ein niedrigeres Schlaganfallrisiko auf.
Das entscheidende Ergebnis: Es gab bei der Rate erneuter Schlaganfälle bei Patienten über alle ESUS-Patienten hinweg keinen signifikanten Unterschied zwischen der Dabigatran-Gruppe und der ASS-Gruppe. In beiden Studienarmen betrug die Rate an Sekundärinsulten zwischen 3 % und 5 %. Auch bei separater Auswertung der PFO-Patienten gab es keinen statistisch signifikanten Vorteil für die Antikoagulation.
Um die Daten weiter zu härten, nutzten Diener und Kollegen ihre Ergebnisse gleich noch zum Update einer existierenden Metaanalyse aller derzeit vorliegenden Daten. Auch in dieser Gesamtauswertung gibt es bei PFO-Patienten nach ESUS bei Berücksichtigung der RE-SPECT ESUS-Daten keinen signifikanten Unterschied zwischen einer Behandlung mit Antikoagulans versus ASS in Bezug auf das Risiko eines wiederholten ischämischen Schlaganfalls. Übrig bleibt lediglich ein numerischer Vorteil mit einer Odds Ratio 0,7 (95 % CI 0,43–1,14) zugunsten der Antikoagulation.
„Obwohl ESUS embolisch sind, ist die Antikoagulation nicht wirksamer als ASS“, fasst Diener zusammen. Damit sei die Favorisierung von oralen Antikoagulanzien gegenüber der Plättchenhemmung zu überdenken, da ASS insgesamt weniger unerwünschte Wirkungen habe und zudem deutlich günstiger sei.
Und wo wir schon beim Thema sind: Wie sieht es eigentlich in der Primärprävention aus? Dort bestehe derzeit keine Indikation für einen PFO-Verschluss nach Zufallsbefund bei Patienten mit keinen oder unspezifischen Symptomen, betonte Diener.
Bildquelle: Erik Brolin, unsplash