Eigentlich sollte das Masernschutzgesetz bis Ende Juli umgesetzt werden. Jetzt will der Bundesrat wegen der Pandemie noch 18 Monate warten. Ist das zu verantworten? Was Kinder- und Jugendmediziner dazu sagen.
Seit März 2020 gilt in Deutschland das Masernschutzgesetz. Damit wurde die Impfung gegen Masern für Kinder und für Erwachsene, die mit Minderjährigen arbeiten, zur Pflicht. Eigentlich sollte das Gesetz bis Mitte des Jahres umgesetzt werden. Doch das steht jetzt auf der Kippe: Der Bundesrat hat vorgeschlagen, die Umsetzung des Gesetzes in Gemeinschaftseinrichtungen zum 31. Juli 2021 um 18 Monate zu verschieben. Kinder- und Jugendmediziner sind davon alles andere als begeistert. In ihren Augen wäre es „unverantwortlich, die Umsetzung des Masernschutzgesetzes zu verzögern.“
Grund für den Aufschub sollen fehlende Kapazitäten auf den Ämtern während der Corona-Pandemie sein. Die Umsetzung erfordere Anstrengungen der Gemeinschaftseinrichtungen und Gesundheitsämter, für die diese nun während der Pandemie keine Zeit hätten, heißt es in der Begründung des Bundesrats. Vielmehr kämen so weitere Belastungen auf die Institutionen zu. Das könnten die Ämter zur Zeit nicht noch zusätzlich stemmen.
„Diese Argumentation verwundert uns“, äußert sich die Deutsche Akademie der Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ) dazu. „Der Termin für die Umsetzung des Gesetzes ist spätestens seit dem 1. März 2020, also seit über einem Jahr bekannt und hätte bereits längst umgesetzt sein können.“ Es sei unkompliziert, die Vollständigkeit der Impfnachweise festzustellen und die fehlenden Impfungen nachzuholen. Denn größtenteils seien die Daten ja bekannt, da der Impfstatus bei Aufnahme in die Gemeinschaftseinrichtung abgefragt wird.
Masern-Impfungen würden gerade jetzt drängen, so die DAKJ. Im ersten Halbjahr 2020 sei aufgrund der Pandemie weniger geimpft worden, so dass einige Kinder die Impfung gegen Masern nicht zeitgerecht erhalten hätten. „Hier sind Nachholimpfungen, wie sie durch das Masernschutzgesetz angestoßen werden, dringend geboten zum Schutz der vulnerablen Kinder“, heißt es vom Dachverband.
Der Bundesrat argumentiert, mit der Verlängerung der Umsetzungsfrist solle der derzeit ohnehin enorme Druck auf die Schulen und Kitas nicht noch weiter vergrößert werden. „Auch den seit langem stark belasteten Gesundheitsämtern, die von den Schulen und Kitas Meldungen über fehlende Masernimmunität einzelner Personen entgegennehmen und die notwendigen Maßnahmen veranlassen müssen, käme eine Verlängerung der Umsetzungsfrist zu Gute“, heißt es.
Die Fallzahlen von Masern-Erkrankungen sind durch die Hygienemaßnahmen während der Pandemie zwar gesunken. Die Kehrseite ist allerdings, dass es dadurch aktuell viele für Masern empfängliche Kinder in Deutschland gibt, wie die DAKJ betont. Kinder- und Jugendmediziner wollen deswegen darauf bestehen, an der planmäßigen Umsetzung des Masernschutzgesetzes zu Ende Juli 2021, also kurz vor Beginn des Kindergartenjahres 2021/2022, festzuhalten.
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