Ein spezieller Virencocktail, der gezielt Bakterien angreift, könnte eine Alternative zu Antiobiotika sein. Das hat ein internationales Forscherteam jetzt erstmals gezeigt.
Bakteriophagen sind spezielle Viren, die ausschließlich Bakterien angreifen. Ein Team aus Jena konnte mit seinen Partnern erstmals zeigen, dass gezielt herangezüchtete Phagen deutlich besser gegen multiresistente Keime wirken als bekannte Wildtypen. Eine Züchtung von bakterienfressenden Viren könnte zukünftig zur Bekämpfung von Methicillin-resistenten Staphylokokken (MRSA) eingesetzt werden.
Eine Therapie mit Bakteriophagen gilt schon seit einiger Zeit als aussichtsreiche Option zur Therapie von schwer zu behandelnden Infektionen mit multiresistenten Bakterien. Sie wirken viel gezielter auf die krankheitsverursachende Bakterienspezies und können typische Resistenzmechanismen von Bakterien umgehen.
Besonders auf Biofilmen – eine Art schützender Schleim, den Bakterien um sich bilden – bleiben Phagen oft deutlich besser wirksam als Antibiotika.
Doch die hohe Spezifität der Phagen war bislang auch ihr größter Nachteil: „Bakteriophagen sind derart exakt an ihr Wirtsbakterium angepasst, dass selbst eng verwandte Stämme der gleichen Bakterienart nicht mehr von ihnen angegriffen werden." erläutert Prof. Ralf Ehricht von der Universität Jena.
„Bislang versuchte man das durch eine geschickte Mischung natürlich vorkommender Phagen zu umgehen. Selbst in günstigen Fällen wirkt diese Phagen-Mixtur oft nur bei der Hälfte aller Zielbakterien und im schlimmsten Fall wirkt er nur auf einen einzigen Stamm von hunderten“, so Ehricht.
Um optimal für den therapeutischen Einsatz geeignete Viren heranzuzüchten, nutzten die Entwickler die Mechanismen der Evolution: Sie kreuzten verschiedene Phagen und selektierten diejenigen, die ein möglichst breites Spektrum an Bakterienstämmen angreifen konnten.
Die Forschungsgruppe testete eine Mischung der so gezüchteten Phagen an 110 Staphylokokken-Stämmen – 43 % davon waren bereits multiresistente MRSA-Varianten. Das Resultat nach der Behandlung mit den gezüchteten Phagen: Bei 101 der 110 Bakterienstämme wurde das Wachstum erfolgreich unterbunden.
„Das ist ein großer Fortschritt für die Phagentherapie, wodurch sie bei manchen Krankheitsbildern als ernsthafte Alternative zur antibiotischen Behandlung von MRSA-Infektionen in den Fokus rückt“, bewertet Ehricht die Ergebnisse der Studie.
Weitere Partner der Forschungsgruppe aus Jena arbeiten darüber hinaus bereits an der Gen-Analyse von Bakteriophagen: So hat ein Start-Up-Unternehmen bereits gemeinsam mit der Universität Jena ein neues Bioinformatik-Tool entwickelt. „What the Phage“, so der Name des Tools, soll erstmals eine nutzerfreundliche Analyse der Gensequenzen von Phagen ermöglichen.
Mit dem kostenlosen Open-Source-Programm lassen sich Phagen in Sequenzdatensätzen identifizieren, die sich auch für eine therapeutische Anwendung gegen passende Wirtsbakterien eignen könnten.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des InfectoGnostics - Forschungscampus Jena. Hier geht's zur Originalpublikation.
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