Biontechs Impfstoff erreicht die Hausarztpraxen – aber nicht immer in gutem Zustand. Ich sehe Fotos von Vials, die in Kisten rumkullern und lese von falschen oder sogar fehlenden Spritzen.
Der Impfstart bei den Hausärzten gegen COVID-19 war lange Zeit sehnlichst erwartet worden, und ist nun in dieser Woche endlich angelaufen. Doch wie sinnvoll war es, ausgerechnet mit der Mimose Comirnaty® zu starten? Trotz (oder gerade wegen?) des extrem ausgeklügelten Bestellsystems (ich schrieb hier darüber) kam es in vielen Apotheken am Dienstagnachmittag zu Turbulenzen und Ärger. Am Schluss bleibt die Frage: Wie sehr schadet das viele Hin und Her dem Impfstoff selbst? Wie wirksam sind die Dosen, die hier verabreicht wurden?
Von der Bestellung bis zur Lieferung und der Weitergabe an die Hausarztpraxen – wie ist denn die erste Lieferung Comirnaty® gelaufen? Die Antworten von ApothekerInnen, die am Dienstag an einer Umfrage der DAZ teilnahmen zeigen ein eher durchwachsenes Ergebnis.
Quelle: DAZ-Umfrage Diese Zahlen können allerdings nicht ganz vermitteln, wie desatrös es am ersten Liefertag in manchen Apotheken tatsächlich ausgesehen hat. Dafür ist es sinnvoll, in den sozialen Medien zu stöbern.
Hier werden teilweise wirklich krasse Berichte und Fotos von Vials gepostet, die so stark in den Großhandelskisten geschüttelt wurden, dass sie aus ihrer erschütterungsfreien Halterung gefallen sind und über den Kistenboden und die Kühlelemente rollen.
Eine Apothekerin berichtet, dass das Handling in einem Impfzentrum ganz anders aussieht. Dort wird immer nur ein Vial in erschütterungsgeschützten Boxen zum Labor gebracht und nach der Rekonstitution auf erschütterungsfreien Tabletts von einem Helfer zu Fuß ganz vorsichtig zu den Ärzten getragen. Ein solches Bild erscheint dann natürlich wie ein Hohn. Die Auslieferung der Impfstoffe erfolgt ja auch nicht separat, sondern mit der ganz normalen Tagestour, bei der die Kisten übereinandergestapelt meist relativ unsanft auf dem Boden abgestellt werden.
Bei einigen Apotheken fehlten wahlweise die Vials oder gar das Impfzubehör, in manchen Fällen wurden die falschen Spritzen dazugelegt, und manche Apotheken bekamen trotz Zusage einer bestimmten Menge dann doch weniger geliefert. Beide Versionen sind schlecht: Patienten, die nicht geimpft werden können, weil der Impfstoff fehlt, oder Impfstoff der im schlimmsten Fall verfällt, weil die Spritzen fehlen. Anrufe bei den betroffenen Großhändlern gingen oft gar nicht erst durch die überlasteten Leitungen.
Während bei den meisten Apotheken die Bestellungen zum Teil drastisch gekürzt wurden, bekamen andere dagegen von ihrem Großhandel sogar mehr Dosen angeboten, als sie ursprünglich bestellt hatten. Das führt zu gewaltigen Problemen mit den Praxen, die ja häufig bereits ihre Patienten über die Impfung informiert und einbestellt hatten.
Manche Vials waren, bis sie in den Apotheken ankamen, bereits länger als 12 Stunden aufgetaut. Ab dem Auftauzeitpunkt darf das Vial aber nur noch maximal 12 Stunden transportiert werden. Die Warte- und Stehzeiten werden dabei nicht mitgezählt und es ist eigentlich auch nicht davon auszugehen, dass sie seither ununterbrochen unterwegs waren – alleine die Dokumentation dazu fehlte. Eine Apothekerin spricht auch davon, dass der Impfstoff bei seiner Ankunft bereits über 11 Grad Celsius warm war. Auch hier stellt sich nun die Frage, wie lange er bereits bei diesen Temperaturen transportiert wurde, denn ein Temperaturlogger war selbstverständlich nicht mit in der Kiste.
Bildquelle: Julia Koblitz, Unsplash