Das Risiko einer Sinusvenenthrombose scheint bei COVID-19 rund 10-mal höher zu sein als nach Corona-Impfungen. Und: Thrombose ist nicht gleich Thrombose. Zeit für einen Fakten-Check.
Das Risiko einer Sinusvenenthrombose (SVT) ist bei einer COVID-19-Erkrankung rund 10-mal höher als nach Corona-Impfungen. Das haben heute Wissenschaftler der Oxford-Universität verkündet. In ihrer Studie wollten sie herausfinden, wie häufig die Hirnthrombosen nach einer COVID-Erkrankung auftreten. Das war bislang unklar.
In der Studie, die noch nicht unabhängig bewertet wurde, untersuchten Taquet et al. die Häufigkeiten von Sinusvenethrombosen innerhalb von zwei Wochen nach einer COVID-19-Diagnose und nach einer ersten Impfung mit einem Corona-Impfstoff der Hersteller Biontech oder Moderna. Diese verglichen sie dann mit der Häufigkeit von SVT nach einer Influenza und in der allgemeinen Bevölkerung. Sie nutzten dazu elektronische Patientendaten, vorwiegend aus den USA. Insgesamt lagen die Daten von knapp 513.000 COVID-19-Patienten, 480.000 Geimpften und 170.000 Pateinten mit Influenza vor.
Im Vergleich zu den mRNA-Impfstoffen ist das Risiko einer SVT durch COVID-19 damit etwa 10-mal höher, verglichen mit dem AstraZeneca-Impfstoff ist das Risiko durch COVID-19 etwa 8-mal höher. Und verglichen mit der Hintergrundizidenz ist das Risiko einer SVT durch COVID sogar rund 100-mal höher.
In der Corona-Diskussion herrscht ein heilloses Durcheinander. Damit ihr beim Thema Thrombosen, COVID und Corona-Impfung den Überblick behaltet, haben wir nochmal die unterschiedlichen Varianten für Euch aufgearbeitet.
Große Aufmerksamkeit haben durch die Corona-Impfungen vor allem die seltenen Blutgerinnsel im Hirn bekommen. Noch ist der genaue Mechanismus dahinter unklar. Es gibt aber schon eine vieldiskutierte Hypothese, zu der ihr hier mehr lesen könnt. Doch was zeichnet eine SVT überhaupt aus?
Bei Hirnvenenthrombosen kommt es zu einem Verschluss einzelner zerebraler Venen. Die Gehirnvenen sammeln sich in großen Sammelbecken, den sogenannten Sinus durae matris, teilweise auch als Sinusvenen bezeichnet. Von dort aus fließt das Blut unter anderem ins Herz ab. Die Sinusvenenthrombose führt häufig zu Stauungsblutungen und ist für ca. 1 % der Schlaganfälle verantwortlich. Einige Autoren differenzieren zwischen der Sinusthrombose und der Hirnvenenthrombose. Sie unterscheiden sich jedoch lediglich in ihrer Lokalisation, treten meist gleichzeitig auf und werden daher häufig als Sinusvenenthrombose zusammengefasst.
Zumindest zum Thema allgemeiner Thrombosen bei COVID-19 konnten Forscher inzwischen schon etwas mehr Licht ins Dunkel bringen. Noch zu Beginn der Pandemie rätselten Mediziner darüber, warum so viele ihrer schwerkranken COVID-19-Patienten Thrombosen entwickelten. Offenbar ging der Krankheitsverlauf häufig mit Gerinnungsstörungen einher. Kürzlich erschien dazu ein lesenswertes Review in Nature, dass sich mit dem Thema Immunthrombosen befasst. Darin beschreiben Bonaventura et al. wie eine SARS-CoV-2-Infektion einen prothrombotischen Zustand induzieren kann, der sich vor allem in Mikrothromben zeigt.
Eine wichtige Rolle bei der Immunthrombose scheint den neutrophilen Granulozyten zuzukommen. Nach Beschädigung des Endothels durch SARS-CoV-2 können die Granulozyten „Netze“ aus Zellmaterial ins Blutplasma ausstoßen, die sogenannten „Neutrophil Extracellular Traps“ (NET). Eigentlich sollen diese einen Erreger einfangen und an der Ausbreitung im Organismus hindern. Doch offenbar ist der Prozess auch an der Thrombosierungen in den kleinen Blutgefäßen beteiligt, unter anderem weil über verschiedene Mechanismen dabei auch die Thrombozyten übermäßig aktiviert werden.
Häufig muss in der aktuell geführten Thrombose-Diskussion auch die "Pille" herhalten – das Risiko für Thrombosen sei hier viel höher als bei Corona-Impfungen. Doch ein direkter Vergleich zum oralen Kontrazeptiva ist schwierig und eigentlich irreführend. Unter Einnahme der Pille ist das Risiko für venöse Thromboembolien (VTE), also für Blutgerinnsel in einer Vene, erhöht – insbesondere für tiefe Beinvenenthrombosen. Blutgerinnsel, die zuerst im Hirn auftreten, scheinen auch unter Einnahme der Pille nicht häufiger vorzukommen.
Bei der Pille kommt es zudem auf die Zusammensetzung des Präparats an. Von Gestagen-Monopräparaten geht laut aktueller S3-Leitlinie "Hormonelle Empfängnisverhütung" kein signifikant erhöhtes Risiko aus. Über die relativen Risiken und Inzidenzen für VTE bei verschiedenen kombinierten hormonalen Kontrazeptiva (KHK) informiert ein Rote-Hand-Brief.
Sehr viel häufiger als Hirnvenenthrombosen sind Thrombosen in anderen Venen des Körpers, etwa in den tiefen Beinvenen. Mit 40-180 Fällen pro 100.000 Einwohnern jährlich ist die tiefe Venenthrombose laut der Uniklinik Saarland die dritthäufigste Herz-Kreislauf-Erkrankung in Deutschland. Die Thrombose kann am Entstehungsort selbst zu einem Gefäßverschluss führen oder in Form einer Embolie andere Gefäßabschnitte der Strombahn verschließen.
Die Ursachen für eine Thrombose sind vielfältig. Meist wirken mehrere Faktoren zusammen.
Mögliche Ursachen für Thrombosen
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