Es ist günstig, ausreichend vorhanden und leicht anzuwenden. Das Asthma-Medikament Budesonid schnitt in einer ersten Studie gut ab – heute veröffentlichte Daten dämpfen die Euphorie.
Dass Glukokortikoide Erfolge bei der Behandlung von COVID-19 erzielen können, hat der mittlerweile etablierte Einsatz von Dexamethason gezeigt (DocCheck berichtete). „Dexa“ ist allerdings kein Medikament für die Frühphase, sondern kommt im Regelfall erst dann ins Spiel, wenn die Patienten auf der Intensivstation liegen oder kurz davor sind. Erste Daten einer kleinen Phase-II-Studie, die am Wochenende im Lancet publiziert wurde, deuten jetzt darauf hin, dass das synthetisch hergestellte Glukokortikoid Budesonid – vielen durch seinen Einsatz bei Asthma Bronchiale bekannt – ein erfolgversprechendes Medikament zur frühen Behandlung einer SARS-CoV-2-Infektion werden könnte. Mittlerweile gibt es aber auch Interims-Daten aus der anschließenden, größeren Phase-III-Studie, die ein etwas anderes Bild zeichnen.
In der randomisierten, nicht verblindeten Phase-II-Studie in Großbritannien wurden 146 zufällig ausgewählte COVID-Betroffene mit nur milden Symptomen in zwei Versuchsgruppen eingeteilt. Die eine Gruppe sollte zweimal täglich zwei Inhalationen mit Budesonid bis zum Abklingen der Symptome einnehmen, die andere Gruppe erhielt die dortige Standard-Medikation bei mildem COVID-19 (supportive Therapie mit Honig bei Hustensymptomen und Antipyretika (Paracetamol, Aspirin, Ibuprofen)). Die frühe Inhalation von Budesonid konnte bei den Probanden die Wahrscheinlichkeit, dass eine dringende medizinische Versorgung benötigt wurde, reduzieren. Das Risiko für eine nötige stationäre Aufnahme sank bei den mit Budesonid Behandelten um 91 Prozent. Auch die Zeit bis zur Genesung wurde durchschnittlich um einen Tag verkürzt.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Mediziner Karl Lauterbach ist von der Studie überzeugt – um nicht zu sagen begeistert. Er schrieb am Sonntag bei Twitter, dass Budesonid ein echter „Game Changer“ sein könne. Er würde das Medikament als Hausarzt auf Grundlage der vorliegenden Daten und fehlender Kontraindikation bei seinen Patienten einsetzen, so schreibt er es in seinem Thread (Lauterbach selbst hat nie als Hausarzt gearbeitet).
Heute Nachmittag äußerte sich dann auch Martin Scherer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) zu den Ergebnissen der im Lancet veröffentlichten Studie via Twitter:
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Er sieht Lauterbachs Begeisterung als etwas überstürzt an. „Es ist eine vielversprechende Option mit nachvollziehbarer Rationale. Aber: Leider sind die Daten aus Sicht der DEGAM noch nicht ausreichend belastbar.“ Kernergebnis der Studie gemäß Publikation ist, dass in der Per-Protokoll-Analyse der Budesonidgruppe nur 1 Patient (von 70) in die Notaufnahme musste, in der Vergleichsgruppe waren es 10 (von 69). Darunter waren 3 Personen mit Luftnot und Abfall der Sauerstoffsättigung, einer mit diabetischer Ketoazidose, ein Verdacht auf Lungenembolie, eine Niereninsuffizienz sowie eine Rippenfaktur.
„Dass die 10 Ereignisse der Kontrollgruppe kausal mit Covid in Verbindung zu bringen sind, wird implizit vorausgesetzt. Allerdings wird das Verfahren zur Kausalitätsprüfung nicht näher dargelegt“, so Scherer. Sein Fazit: „Man KANN Budesonid 800 μg, 2 Hub tägl. versuchen. Für eine generelle Therapieempfehlung sind die Daten der aktuellen Lancetstudie nicht ausreichend belastbar. Größere Studien sind erforderlich, um die Ergebnisse zu replizieren, bzw. zu validieren.“
Vielleicht sind sie auch gar nicht mehr erforderlich. Laut einer Pressemitteilung, die heute (Montag, 12. April 2021) von der Oxford-Universität veröffentlicht wurde, scheinen sich die Ergebnisse zu Budesonid nur tendeziell zu bestätigen. Budesonid wurde nämlich in die PRINCIPLE-Studie aufgenommen, eine randomisierte, kontrollierte Phase-III-Plattform-Studie. Konkret wurde untersucht, inwiefern eine häusliche Behandlung mit Budesonid bei vorerst mildem COVID-19 zum Einsatz kommen kann – vor allem bei älteren Patienten und solchen, die aufgrund von Vorerkrankungen ein besonders hohes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Eingeschlossen wurden 751 SARS-CoV-2-positive Patienten, die Budesonid erhielten und 1.028 Patienten mit der Standardmedikation.
Ergebnis: Eine frühzeitige Behandlung mit inhalativem Budesonid konnte hier die Zeit bis zur Genesung (time to recovery) im Median um drei Tage senken. Das haben andere Frühmedikamente auch schon geschafft. Wenig beeindruckend dagegen die Krankenhauseinweisungen: Von den Patienten, die bis zum 25. März 2021 alle 28 Tage der Nachbeobachtung absolviert hatten, lag die Hospitalisierungsrate in der Budesonid-Gruppe bei 8,5 % (59/692) und in der Vergleichsgruppe (Standard-Therapie) bei 10,3 % (100/968). Ein eher mageres Ergebnis für den Hoffnungsträger.
Die Pressemeldung der Universität Oxford weist darauf hin, dass während der Erhebung weniger Personen als erwartet ins Krankenhaus eingewiesen worden seien. Daher sei die Zwischenanalyse vielleicht nicht genug gepowert gewesen und es gehe statistisch nicht daraus hervor, ob Budesonid die Krankenhauseinweisungen reduzieren konnte.
Allerdings sind knapp zehn Prozent Krankenhauseinweisungen jetzt auch nicht ganz wenig. Die Daten stehen ab sofort als Preprint-Paper auf dem medRxiv-Server zur Verfügung.
Bildquelle: mohamed_hassan, pixabay