Ein Forschungsteam hat neue Erkenntnisse über Zellteilungsmechanismen geliefert. Am Beispiel von Bacillus subtilis konnten sie mithilfe fortschrittlicher Bildgebung zeigen, dass die Zellteilung auch anders als bisher vermutet ablaufen kann.
Bakterien vermehren sich normalerweise durch die Vervielfältigung des gesamten einzelligen Organismus, durch binäre Zellteilung. Eine wichtige Rolle für die Bakterienzelle spielt dabei die Position, an der sie sich teilt und dabei die Erbinformationen verteilt.
Für viele Bakterienarten wie bspw. für das Stäbchenbakterium Escherichia coli ist dieser Teilungs- und Verteilungsprozess gut erforscht: Als Steuerungseinheit fungiert eine Gruppe von Proteinen, die als das Min-System bezeichnet wird und in Bakterien normalerweise dafür sorgt, dass sich die Zellen genau in der Mitte teilen.
In seiner neuen Forschungsarbeit konnte Prof. Marc Bramkamp der Universität zu Kiel am Beispiel des Bakteriums Bacillus subtilis neue Erkenntnisse darüber gewinnen, wie die Proteine des Min-Systems infolge evolutionärer Anpassungen ihre Funktionsweise in der Zellteilung anpassen können.
Dank neuartiger hochauflösender Bildgebungsverfahren und der Anwendung mathematischer Modellierungen konnte die Arbeitsgruppe um Bramkamp zeigen, dass das Min-System bei B. subtilis nicht die Positionierung der Zellteilung reguliert, sondern diese nach einer erfolgreichen Teilung stoppt – anders als bei vielen anderen Stäbchenbakterien.
Um nachvollziehen zu können, wie die Proteine des Min-Systems in B. subtilis-Zellen agieren, wählte das Forschungsteam zunächst einen zweistufigen Ansatz.
Ergebnisse aus vorangegangen Experimenten ließen vermuten, dass die an der Zellteilung beteiligten Proteine nicht statisch sind, sondern sich je nach Aktivitätszustand dynamisch in der Zelle bewegen.
Die Forschenden haben sie daher im Experiment zunächst mit einem fluoreszierenden Eiweiß markiert. Mit einem speziell ausgestatteten Fluoreszenzmikroskop konnten sie dann die Bewegungen der Proteine in der Zelle in Echtzeit verfolgen.
„Bei E. coli gibt es eine sogenannte Oszillation der Min-Proteine. Ihr Vorkommen wandert dabei in wenigen Sekunden von einem Ende der Zelle zum anderen. Daher ist die Verteilung in der genauen Mitte der Zelle am geringsten. Genau dort entsteht dann in E. coli das Septum, also eine neu entstehende Trennwand“, erklärt Dr. Helge Feddersen aus Bramkamps Gruppe.
„Bei B. subtilis konnten wir mit unseren Messungen jedoch keine solche Oszillation feststellen. Unsere Beobachtungen zeigten aber, dass die Min Proteine von den Zellpolen zur Mitte wandern, sobald dort die Zellteilung beginnt. Eine Dynamik der Proteine ist in B. subtilis also erhalten, aber das System legt nicht die Zellmitte fest“, so Feddersen weiter.
Um eine genaue Vorstellung von der Geschwindigkeit der Proteine in der Zelle zu bekommen, wandte das Team in einem zweiten Schritt ein Verfahren zur lokalen Entfernung der fluoreszierenden Markierung an.
Die Fluoreszenz wurde also beispielsweise gezielt bei den Proteinen, die sich am Teilungs-Septum der Zelle befanden, mittels eines Lasers durch Bleichung dauerhaft ausgeschaltet.
Trotzdem fanden sich kurz darauf an derselben Position erneut fluoreszierende Proteine – diese konnten also nur von einem anderen Ort der Zelle dorthin nachgewandert sein.
„Daraus konnten wir ganz genau ableiten, mit welcher Geschwindigkeit sich die Min-Proteine bei B. subtilis in der Zelle bewegen. Diese quantitativen Daten sind sehr wichtig, um ein mathematisches Modell der Min Dynamik zu erstellen“, fasst Feddersen das wichtigste Ergebnis zusammen.
Dass die neuen Erkenntnisse über die abweichende Funktion des Min-Systems bei B. subtilis erst jetzt gefunden wurden, liegt auch daran, dass die Auflösung in der Bildgebung für solche Beobachtungen bisher nicht ausreichte.
An der Universität zu Kiel steht mit der Einzelmolekül-Lokalisations-Mikroskopie seit kurzem eine hochleistungsfähige Technologie zur Verfügung, welche die bisher beste Auflösung in lebenden Zellen ermöglicht. Damit ist es möglich, auf der Nanometer-Skala einzelne Moleküle wie die Min Proteine in lebenden Zellen zu lokalisieren. Anders als bei statischen Verfahren lässt sich so zudem die Dynamik verfolgen, also die Bewegung einzelner Proteine im Zeitverlauf nachvollziehen.
„Erst mit unserem höchstauflösenden Mikroskop konnten wir nun im nächsten Schritt feststellen, dass es zu einer Clusterbildung bei den Zellteilungs-Proteinen von B. subtilis kommt“, betont Bramkamp.
„Diese in der Biologie noch selten genutzte Technik hat uns in der nun vorgelegten Arbeit gezeigt, dass ein scheinbar bekanntes Proteinsystem bei dem konkret untersuchten Bakterium möglicherweise wesentlich anders funktioniert, als bisher angenommen“, so Bramkamp. Obwohl also beispielsweise bei E. coli und B. subtilis dieselben Proteinsysteme vorliegen, führen sie völlig andere Funktionen aus.
„Wir vermuten, dass das Min-System bei B. subtilis bewirkt, dass die Zellteilung nach einem erfolgreichen Durchgang blockiert wird – es beeinflusst also den aktiven Zellteilungsapparat und sorgt dafür, dass dieser nach erfolgreicher Teilung nicht weiterarbeitet“, fasst Bramkamp zusammen.
Der Grund für diese Anpassung liegt möglicherweise darin, dass B. subtilis eine besondere Überlebensstrategie verfolgt und gegen schädliche Umwelteinflüsse resistente Dauerstadien in Form von Sporen bildet.
Damit sich diese Sporen ausbilden können, muss sich die Zelle nahe am Zellpol teilen – also der Stelle, an der normalerweise keine Teilung stattfinden soll. Diese Anforderung erreicht B. subtilis also offenbar durch die Modifikation des Min-Systems und ermöglicht so diese einfache Form der Zelldifferenzierung.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Hier geht's zur Originalpublikation.
Bildquelle: Raimond Klavins, unsplash.