Die Reaktivierung von Herpes Zoster nach einer Impfung mit dem Biontech-Vakzin könnte eine neue unerwünschte Nebenwirkung sein. Sechs Fallberichte aus Israel.
An zwei Zentren in Israel gab es seit Dezember 2020 sechs Fälle von Herpes zoster, die sich kurz nach der Verabreichung des Pfizer/BionTech-Impfstoffs bei Patienten mit rheumatischen Autoimmunerkrankungen entwickelten. Dokumentiert wurden sie von Ärztin Victoria Furer von der Universität Tel Aviv und ihren Kollegen.
Über die Sicherheit und Wirksamkeit der COVID-19-Impfstoffe bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen ist bisher wenig bekannt, da immunsupprimierte Personen nicht in die ursprünglichen klinischen Studien eingeschlossen wurden. Aus diesem Grund wurde am Tel Aviv Medical Center und am Carmel Medical Center in Haifa eine Beobachtungsstudie durchgeführt, in der unerwünschte Ereignisse nach der Impfung bei Patienten mit Rheumatoider Arthritis, Spondyloarthropathien, Bindegewebserkrankungen, Vaskulitis und Myositis erfasst wurden.
Die Interimsanalyse umfasst 491 Patienten und 99 Kontroll-Patienten, bei denen alle Ereignisse während des 6-wöchigen Überwachungszeitraums nach der Impfung gemeldet wurden. Die Prävalenz der Ereignisse lag bei den Patienten mit rheumatischen Erkrankungen bei 1,2 % gegenüber keinem Ereignis in der Kontroll-Gruppe, so berichten es Furer und ihre Kollegen im Journal Rheumatology.
„Wir haben bisher keine zusätzlichen Fälle gesehen“, sagt die Erstautorin. Allerdings sei „eine weitere Überwachung möglicher unerwünschter Ereignisse nach einer COVID-19-Impfung bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen angeraten“.
Patientin 1 war eine 44-jährige Frau mit Sjögren-Syndrom, die mit Hydroxychloroquin behandelt wurde. Sie hatte vorberichtlich schon mal Varizellen und war nicht gegen Gürtelrose geimpft. Drei Tage nach der ersten Impfdosis entwickelte sie einen vesikulären Hautausschlag mit Juckreiz, Schmerzen im unteren Rücken und Kopfschmerzen. Die Symptome verschwanden spontan innerhalb der folgenden 3 Wochen ohne Behandlung, und sie erhielt die zweite Dosis 4 Wochen nach der ersten.
Bei Patientin 2 handelte es sich um eine 56-jährige Frau mit vorberichtlich langer Krankheitsgeschichte einer seropositiven rheumatoiden Arthritis, die bereits mit einer Reihe von Biologika behandelt wurde und sich seit 2014 mit Tofacitinib in Regression befand. Auch sie hatte vorberichtlich schon unter Varizellen gelitten und war nicht gegen Gürtelrose geimpft.
Nach der ersten Dosis des Impfstoffs berichtete sie über Unwohlsein und Kopfschmerzen. Vier Tage nach der Impfung entwickelte sie starke Schmerzen am linken Auge und der Stirn, zusammen mit einem Ausschlag im Bereich des Innervationsgebietes des 1. Trigeminusastes – Zoster ophthalmicus. Die Augenuntersuchung ergab eine hyperämische Bindehautentzündung. Sie erhielt eine zweiwöchige Behandlung mit Acyclovir und Analgetika, und die Symptome klangen nach 6 Wochen ab. Tofacitinib wurde für 2 Wochen abgesetzt – sie erlebte keinen Arthritis-Schub. Sie lehnte die zweite Impfdosis ab.
Patientin 3 war eine 59-jährige Frau mit seropositiver rheumatoider Arthritis, die auf mehrere Therapien mit Biologika und Baricitinib nicht angesprochen hatte, aber 6 Monate zuvor eine Behandlung mit Upadacitinib plus Prednison 5 mg/Tag begonnen hatte und ein teilweises Ansprechen zeigte. Sie hatte ebenfalls anamnestisch unter Varizellen gelitten und im Jahr 2019 den abgeschwächten Zoster-Lebendimpfstoff erhalten.
Zwei Tage nach Erhalt der zweiten Dosis des COVID-Impfstoffs klagte die Patientin über Schmerzen und zeigte einen vesikulären Hautausschlag am Unterbauch, in der Leistengegend, am Gesäß und am Oberschenkel und erhielt dagegen Valaciclovir. Das Virostatikum wurde 3 Tage lang verabreicht, dann aber wegen unerwünschter Nebenwirkungen abgesetzt – die Hautläsionen heilten über einen Zeitraum von 6 Wochen langsam ab.
Das Upadacitinib wurde mit dem Zoster-Ausbruch abgesetzt, weshalb die Patientin einen schweren rheumatoiden Arthritis-Schub erlebte, der mehrere Gelenke betraf. Ihre Arthritis-Behandlung wurde anschließend auf Etanercept umgestellt.
Patientin 4 war eine 36-jährige Frau mit einer langen Vorgeschichte mit seropositiver rheumatoider Arthritis und zusätzlicher interstitieller Lungenerkrankung. In den vorangegangenen 2 Jahren war sie mit Rituximab, Mycophenolatmofetil und Prednison in Dosen von 7 mg/Tag behandelt worden. Auch sie hatte eine Varizellen-Anamnese und war nicht gegen Gürtelrose geimpft.
Zehn Tage nach der ersten COVID-19-Impfdosis klagte sie über Schmerzen und vesikulären Ausschlag an Bauch und Rücken entlang des T10-Dermatoms und erhielt 7 Tage lang Acyclovir. Der Ausschlag klang innerhalb von 6 Wochen ab, sie erhielt die zweite Impfstoffdosis 4 Wochen nach der ersten. Es zeigten sich keine weiteren unerwünschten Nebenwirkungen des Impfstoffs und auch keine Verschlechterung der rheumatischen Erkrankung.
Furer und ihre Kollegen weisen in ihrem Artikel darauf hin, dass es in den klinischen Studien zu den COVID-19-Impfstoffen keine Berichte über Herpes zoster gab und dass dies ihres Wissens nach die erste Fallserie solcher Ereignisse bei Patienten mit rheumatischen Autoimmunerkrankungen ist.
Das Krankheitsbild war bei allen Personen relativ mild, bei keiner Patientin trat eine disseminierte Erkrankung oder eine postherpetische Neuralgie auf. Bemerkenswert sei, so die Forscher, dass ein Fall bei einer Patientin auftrat, die zwei Jahre vor der COVID-19-Impfung bereits eine Gürtelrose-Impfung erhalten hatte.
„Die zellvermittelte Immunität spielt eine wichtige Rolle bei der Prävention der Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus. Eine abnehmende zellvermittelte Immunität mit dem Alter oder der Krankheit ist mit einer Verringerung der Varizella-Zoster-Virus-spezifischen T-Zellen verbunden, was die Immunüberwachung mindert und das Risiko einer Reaktivierung erhöht, wobei das Alter der Hauptrisikofaktor für 90 % der Herpes-Zoster-Fälle ist“, schreiben die Autoren. Allerdings handelte es sich bei den erfassten Fällen um relativ junge Frauen, deren Durchschnittsalter bei 49 Jahren liegt und deren rheumatische Erkrankung nur leicht oder stabil eingestellt war.
Auch andere Faktoren dürften eine Rolle gespielt haben. So ist das Risiko für Herpes zoster in der Bevölkerung mit rheumatischen Erkrankungen höher als bei Gesunden. Das Risiko bei Patienten mit rheumatoider Arthritis wird auf das Zweifache des Risikos in der Allgemeinbevölkerung geschätzt. Eine erhöhte Krankheitsaktivität und hohe Dosen von Prednison erhöhen es zusätzlich. Darüber hinaus wurde über ein doppelt so hohes Risiko für Herpes zoster bei Patienten berichtet, die mit JAK-Inhibitoren wie Tofacitinib behandelt werden, wie es bei zwei Patienten in dieser Serie der Fall war.
COVID-19-Infektionen standen schon im Zusammenhang mit Varizellen-ähnlichem Hautausschlag. Das deute, so schreiben es die Autoren, darauf hin, dass die Aktivierung und Funktion von CD4+ und CD8+ T-Zellen durch eine Infektion beeinträchtigt werden könne, was wiederum die Abwehr von Viren beeinflusse. „Mögliche Mechanismen, die den pathogenetischen Zusammenhang zwischen der mRNA-COVID-19-Impfung und der Herpes-Zoster-Reaktivierung erklären könnten, hängen mit der Stimulation der angeborenen Immunität durch Toll-like-Rezeptoren zusammen“, schreiben die Forscher. Sie weisen auch darauf hin, dass der Impfstoff Typ-I-Interferone und Zytokine stimulieren kann, und es so zu einer Beeinträchtigung der Antigenexpression kommen könne.
Wie die Autoren auch anmerken, kann durch die geringe Anzahl der Fälle lediglich eine Korrelation, nicht jedoch eine Kausalität angenommen werden. Eine weitere Einschränkung der Veröffentlichung ist die Tatsache, dass die Diagnose des Herpes zoster ausschließlich auf klinischer Basis gestellt wurde. Nichtsdestotrotz sollte eine gründliche Nachbeobachtung aller Impflinge erfolgen, die unter einer rheumatischen Autoimmunerkrankung leiden.
Zur Originalpublikation kommt ihr hier.
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