Liebe Arbeitgeber, wir müssen reden. Bei der Jobsuche als Tierarzt erlebe ich einen Schock nach dem anderen.
Der Bedarf an Tierärztinnen und Tierärzten scheint groß zu sein. Von der Wertschätzung kann man das allerdings nicht behaupten. Dementsprechend ernüchternd fällt auch die Bezahlung aus. Wer soll sich denn bei diesen Gehältern das eigene Leben finanzieren können?
Viele von uns dürfen sich während der Studienzeit voll und ganz auf die Universität konzentrieren. Wir werden dann von unseren Eltern gesponsert, unterstützt und rundum versorgt. Auch wenn wir nicht mehr Zuhause wohnen, wird uns die Miete, das Essen und sämtliche Ausgaben für Freizeit und Studium finanziert. Zumindest einige von uns dürfen sich dieses Privileg herausnehmen – so auch ich.
Natürlich weiß ich, dass mindestens so viele neben ihrem Studium auch arbeiten, sich schon während der Ausbildungszeit mit finanziellen Problemen auseinandersetzen und ganz alleine ihren Alltag bewältigen müssen. Ich ziehe den Hut vor allen, die trotz eines Berufs das Studium irgendwann einmal positiv abschließen können.
Ich hätte das vermutlich nicht geschafft. Zumindest nicht in der Regelstudienzeit und mit mehreren Stipendien in der Tasche. Und wenn doch, dann vermutlich mit einem riesigen Berg an Schulden, der natürlich schleunigst zurückbezahlt werden muss.
Nun ist es aber soweit. Die Studienzeit ist zu Ende, der Ernst des Alltags beginnt. Und mit der Approbation startet auch die Suche nach einer geeigneten Arbeitsstelle. Solange man studiert, zerbricht man sich nur äußerst selten den Kopf über faire Bezahlung, geregelte Arbeitszeiten und eine anständige Work-Life-Balance.
Man spricht zwar ab und an mal mit den Kommilitonen darüber, doch ernsthafte Gedanken macht man sich zu dieser Zeit selten. Da ich aber nur noch auf meine akademische Bescheinigung warte, habe ich begonnen, mich mit Stellenanzeigen, Gehaltsfragen und Arbeitsbedingungen auseinanderzusetzen. Meine anfänglichen Vorstellungen wurden aber binnen kürzester Zeit zerschlagen. Der Schock sitzt tief.
In Österreich existiert für angestellte Tierärzte, wie in Deutschland auch, kein Tarifvertrag. Die Bezahlung junger Veterinäre obliegt also dem Arbeitgeber. Die monatliche Entlohnung richtet sich maximal nach dem Mindestlohntarif, der besagt, dass im ersten Berufsjahr 2.002,20 Euro verdient werden können. Zu diesem knackigen Gehalt gesellen sich monatlich noch 73,82 Euro Schmutzzulage.
Laut Gesetzgeber ist eine 40-Stunden-Woche eines angestellten Jungtierarztes somit nicht mehr wert als schlappe 2.100 Euro, brutto natürlich. Meine deutschen Kollegen und Kolleginnen kämpfen mit den gleichen Problemen. Es gibt hier zwar verschiedene Empfehlungen, jedoch ist keine davon bindend. Die Bundestierärztekammer empfiehlt ein Einstiegsgehalt von 3.130 Euro bis zum sechsten Monat, danach eine Erhöhung auf 3.657 Euro. Der Bund angestellter Tierärzte (BaT) hingegen setzt sich für eine monatliche Entlohnung von 3.500 Euro in den ersten sechs Arbeitsmonaten und anschließend ein Gehalt von 3.870 Euro ein. Der Bund praktizierender Tierärzte (bpt) bildet mit monatlich 2.430 Euro (in den ersten sechs Monaten) bzw. 2.860 Euro (ab dem siebten Arbeitsmonat) das Schlusslicht.
Die Realität sieht jedoch ganz anders aus. Wenn man sich die Stellenanzeigen durchliest, kommt man durchschnittlich auf 2.200–2.500 Euro für eine Vollzeitanstellung (40 Stunden/Woche). Die Schwankungsbreite ist natürlich groß – in urbanen Gegenden ist die Bezahlung deutlich schlechter, im ländlichen Umfeld besser. Unter dem Strich betrachtet ist die angebotene Entlohnung jedoch weit unter dem, was ein Tierarzt verdienen sollte. Ein monatliches Gehalt von 2.200 Euro brutto bei einer Vollzeitanstellung (die in den meisten Fällen regelmäßig weit überschritten wird) ermöglicht niemandem ein sorgenfreies Leben. Dass damit Wohnung, Versicherungen, Auto und Lebensunterhalt finanziert werden müssen, berücksichtigt kein Arbeitgeber. Dass dem Beruf auch mindestens sechs Jahre Studium vorausgehen, die in der Regel mit unbezahlten Praktika durchsetzt waren, scheint auch nicht wichtig zu sein.
Ich hätte vorher nie gedacht, dass die Entlohnung und damit auch die Wertschätzung für eine(n) frisch gebackene(n) Tierarzt oder Tierärztin derart schlecht ist. Diese Vorstellungen frustrieren und ich frage mich mittlerweile täglich, ob es wirklich die richtige Entscheidung war, die Tiermedizin als meinen Beruf zu wählen. Neben Existenzfragen, wie ich mir mit diesem monatlichen Gehalt mein Leben finanzieren soll, frage ich mich auch, weshalb ich mir diese Belastung überhaupt erst antun soll.
Ich bitte daher die Kammern und sämtliche Arbeitgeber um eine ehrliche Antwort auf folgende Fragen: Sind wir wirklich so wenig wert, dass wir als Tierärzte schlappe 12,50 Euro brutto (bei 2.000 Euro monatlich) die Stunde bezahlt bekommen sollten? Verlangt ihr von uns wirklich vom ersten Arbeitstag an, uns unter Wert zu verkaufen? Wollt ihr uns ausbeuten und uns hinter dem Rücken auslachen? Wollt ihr, dass wir keine Freude mehr am Beruf, an der Berufung und am Tier haben? Wollt ihr, dass wir nach wenigen Jahren im Beruf mit Burnout enden, nicht wissen, wie wir unser Leben finanzieren und unser Privatleben meistern sollen? Wollt ihr uns wirklich aushungern?
Ich will das nicht. Nicht für ein Jahr, nicht für ein halbes Jahr, nicht einmal für einen Tag.
Bildquelle: Adam Birkett, unsplash