Spermidin verlängert das Leben von Zellen und wirkt sich auf den Alterungsprozess bei Mäusen aus. In der zugehörigen Studie untersuchte das Forscherteam auch den Effekt auf das menschliche Gehirn.
Dass die kognitive Leistungsfähigkeit im Alter abnimmt, ist wissenschaftlich belegt. Die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen sind aber nach wie vor weitgehend unverstanden. Deshalb fehlt es sowohl an präventiven als auch an therapeutischen Konzepten.
Die Ergebnisse einer internationalen Studie könnten nun eine Möglichkeit darstellen, wie man den Alterungsprozess des Gehirns auf natürliche Weise verlangsamen könnte. Die Hauptrolle dabei spielt Spermidin, eine natürliche Substanz, die unter anderem in Weizenkeimen, Nüssen und Pilzen enthalten ist, aber auch im menschlichen Körper vorkommt.
Forschende aus Graz, Berlin und Innsbruck haben gezeigt, dass oral verabreichtes Spermidin in betagten Mäusen und Fliegen zu einer verbesserten Funktionsweise der Mitochondrien im Hirn führt. Durch den hohen Energieverbrauch der Nervenzellen sind Mitochondrien im Hirn von besonderer Bedeutung: Funktionieren sie besser, kann das zu einer gesteigerten Gedächtnisleistung beitragen.
Die Wissenschaftler stellten fest, dass Mäuse und Fliegen bessere kognitive Leistungen zeigen, wenn sie mit durch Spermidin angereicherter Nahrung gefüttert wurden. „Dazu haben wir alten Fliegen und Mäusen Spermidin ins Futter gemischt. So konnte gezeigt werden, dass oral verabreichtes Spermidin das Gehirn von Mäusen erreicht und dass diese im Alter in verschiedenen Gedächtnistests besser abschneiden als Mäuse, die keine Extraportion Spermidin bekamen“, so Andreas Zimmermann von der Uni Graz.
Die neuroprotektive Wirkung von Spermidin konnten die ForscherInnen auf die verbesserte Qualitätskontrolle der Mitochondrien im neuronalen Gewebe zurückführen.
Co-Erstautor Sebastian Hofer erklärt: „Bereits in unseren vorangegangenen Arbeiten konnten wir darlegen, dass Spermidin-gefütterte Fliegen ein besseres Gedächtnis im Alter haben und dass dafür die Autophagie notwendig ist. Hier wiederum zeigen wir, dass die Verbesserung der mitochondrialen Funktion durch Spermidin sehr wahrscheinlich ein weiterer, wesentlicher Faktor ist.“
Auf molekularer Ebene konnten das Forschungsteam in einer zweiten Studie zeigen, dass Spermidin eine spezielle Modifikation eines zentralen Proteins der Proteinherstellung namens eIF5A fördert. Diese sogenannte Hypusinierung ist für die Funktion von eIF5A essentiell und fördert unter anderem die Herstellung mitochondrialer Proteine, wodurch wiederum die Funktion der Mitochondrien verbessert werden kann.
Um zu überprüfen, ob sich die Ergebnisse aus dem Tiermodell auf den Menschen übertragen lassen, griffen die Innsbrucker ForscherInnen auf Daten aus der prospektiven Bruneck-Studie zurück.
Aus über 800 Teilnehmenden wurde ein Kollektiv ausgewählt, das 1995 kognitiv normal leistungsfähig war. Jene ProbandInnen, die über die folgenden fünf Beobachtungsjahren kognitive Einbußen entwickelt hatten, wurden mittels der neuropsychologischen Testbatterie CERAD (Consortium to Establish a Registry for Alzheimer's Disease) identifiziert.
Dabei wurden die Domänen Gedächtnis, Exekutivleistungen (Planen) und Sprachkompetenz überprüft. Gemeinsam mit ForscherInnen der Uni Graz wurde die Spermidinaufnahme über die Nahrung bestimmt.
Das Ergebnis: Studienteilnehmende, die 1995 mehr Spermidin aufgenommen hatten, zeigten über die folgenden fünf Jahre deutlich weniger kognitive Einbußen.
„Diese Beobachtung belegt einen Zusammenhang, der in naher Zukunft auch mit einer Interventionsstudie bestätigt werden sollte, zumal es im kognitiven Bereich sehr wenige Möglichkeiten einer positiven Beeinflussung gibt“, betont Neurologe Stefan Kiechl.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Medizinische Universität Innsbruck. Die Originalpublikationen findet ihr im Text sowie hier und hier.
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