Einigen Long-Covid-Patienten geht es nach der Corona-Impfung besser. US-Forscher stellen jetzt eine spannende Hypothese auf. Möglicherweise liefern sie damit auch die Erklärung für die Ursache von Long Covid.
Angefangen hat alles mit Long-Covid-Patienten, die auf Twitter von ihren Impf-Erfahrungen berichteten. Einige Tage nach einer Corona-Impfung, so erzählten sie, waren die Symptome verschwunden. Wissenschaftler begannen damit, dieses Phänomen genauer zu untersuchen.
In einer ersten kleinen Studie kamen Forscher dann zu dem Ergebnis, dass sich die Symptome bei Long-Covid-Patienten nach einer Impfung in der Tat verbesserten – allerdings war der Effekt längst nicht bei allen Teilnehmern nachweisbar und die Zahl der Probanden zu klein für klare Aussagen.
Jetzt berichten Mishra et al. über einen möglichen Erklärungsansatz für die „heilende“ Wirkung der Impfung. Sie haben in ihrer Studie die Antikörper- und B-Gedächtniszell-Antworten auf eine SARS-CoV-2-Infektion von Mitarbeitern der Rutgers University in New Jersey untersucht. Außerdem verglichen sie die Immunantworten bei vollständig geimpften Personen mit jenen von ungeimpften Personen.
Bei 22 Probanden überwachten sie die Antikörperreaktionen über einen Zeitraum von insgesamt sieben Monaten. Die Verläufe der RBD-spezifischen IgG-, IgM- und IgA-Antikörper waren dabei heterogen. Insbesondere nahm die IgG-Antwort bei 16 Probanden (73 %) im Laufe der Zeit ab, während sie bei 6 Probanden (27 %) stabil blieb oder anstieg. Die Neutralisationsaktivität der Antikörper nahm bei den meisten Probanden ab (n = 15, 68 %). Die Zahl der RBD-spezifischen B-Gedächtniszellen blieb hingegen konstant.
Weiterhin beobachteten die Forscher bei zuvor infizierten Probanden stärkere Antikörper- und B-Zell-Antworten nach der Impfung im Vergleich zu nicht infizierten Personen. Das ist vermutlich auf das sogenannte Immunpriming durch die durchgestandene Infektion zurückzuführen.
Interessanterweise führte die Corona-Infektion auch zu einer erhöhten Anzahl von doppelt negativen B-Gedächtniszellen (CD27-IgD-), die auch als dysfunktionale B-Zell-Untergruppe beschrieben werden. Ihr Anteil nimmt typischerweise mit dem Alter zu. Bei Autoimmunerkrankungen scheinen diese spezifische B-Zell-Subgruppe eine besondere Rolle zu spielen: Bei systemischem Lupus erythematodes (SLE) etwa wurde bereits beschrieben, dass diese B-Zellen Autoantikörper produzieren.
Die Autoren vermuten, dass diese B-Zell-Subgruppe auch bei COVID-19 eine Quelle für Autoantikörper sein könnte. Eine gewisse Ähnlichkeit zwischen COVID-19 und Autoimmunerkrankungen hatte man schon in der Vergangenheit ausgemacht. So sind etwa die Autoantikörper, die man bei schweren COVID-19-Verläufen findet, denen bei Lupus-Patienten ziemlich ähnlich.
Darüberhinaus scheinen die doppelt negativen B-Zellen bei HIV-Infektionen und anderen Krankheiten, die durch chronische Immunaktivierung gekennzeichnet sind, vorzeitig seneszent zu werden. Dieser Phänotyp der vorzeitigen Immunerschöpfung bzw. Seneszenz wurde bei COVID-19 bereits im Zusammenhang mit T-Zellen beschrieben.
Weiterhin beobachteten die Autoren, dass die Zahl der dysfunktionalen B-Zellen nach eine Corona-Impfung rückläufig waren. Laut der Autoren könnte dies eine Erklärung für die durch die Impfung induzierte Reduktion der Symptome bei Patienten mit Long Covid darstellen. Beweisen lässt sich das zwar anhand der kleinen Studie, die noch nicht von unabghängigen Experten begutachtet wurde, nicht. Spannend ist die Hypothese aber trotzdem.
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