Angeborene Formen des Atemnotsyndroms stellen Ärzte und Apotheker bislang vor unlösbare Herausforderungen. Im Tierexperiment ist es Wissenschaftlern gelungen, Nukleinsäuren per Nanofähre an den Ort des Geschehens zu bringen. Ihre Methode hat Potenzial für die Praxis.
Das Atemnotsyndrom gehört zu den häufigsten Todesursachen bei Frühgeborenen. Ist die Nebennierenrinde nicht völlig entwickelt, produziert der kleine Körper kein Cortisol. Ohne dieses Molekül entstehen auch keine Pneumozyten Typ II als Surfactant-Quellen. Daneben gibt es weitere Gründe für die gefürchtete Symptomatik. Bei einer genetisch bedingten Surfactant-Protein-B-Defizienz fehlt das entscheidende, oberflächenaktive Protein. Alveolen entfalten sich nicht richtig, und der Gasaustausch wird behindert. Unter einer Million lebend geborener Säuglinge leiden fünf an der erblichen Variante. Sie versterben meist nach wenigen Monaten – eine kausale Therapie fehlt bislang.
Für Betroffene gibt es jetzt einen Silberstreif am Horizont. Wissenschaftler des Universitätsklinikums Tübingen und des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland setzen auf gentherapeutische Methoden. Ihr Ziel: Kopien des Wildtyp-Gens in Lungenzellen von Versuchstieren einbringen und mittels Nukleasen dauerhaft in deren Erbgut verankern. Sie setzten jedoch nicht, wie in anderen Studien üblich, auf Viren zum Gentransfer, sondern entschieden sich für harmlose, biologisch abbaubare Polymere mit definierten Eigenschaften. Modifizierte mRNA-Stränge gelangten über Nanopartikel in die Lunge von Mäusen mit SP-B-Defizienz. Ohne Gentherapie starben die Tiere nach drei Tagen – mit Behandlung überlebten sie einen Monat. Schließlich wurden zu viele Lungenzellen erneuert, und der Effekt ging verloren. In der Praxis wären regelmäßige Applikationen erforderlich – kein Hinderungsgrund dank der risikolosen, einfachen Applikation.
Die Methodik, Nukleinsäuren über Nanopartikel in die Lunge einzubringen, hat Potenzial, um weitere Erbkrankheiten anzugehen. Bei Mukoviszidose beträgt die Wahrscheinlichkeit eins zu 2.000, über alle Lebendgeburten gerechnet. Der Erkrankung liegen genetisch bedingte Fehlfunktionen von einem Membranprotein zugrunde, das als Chloridtransporter fungiert. Dadurch ändert sich die Zusammensetzung aller Sekrete exokriner Drüsen. Gelänge es Forschern, eine alltagstaugliche Gentherapie zu etablieren, wäre vielen Patienten sehr geholfen.