In Deutschland empfiehlt die STIKO derzeit noch keine generelle Impfung in Schwangerschaft und Stillzeit. Andere Länder sind da schon weiter.
Schwangere, die sich mit SARS-CoV-2 infizieren, haben ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf. Dennoch bleibt die Ständige Impfkommission (STIKO) bei ihrer Empfehlung, Schwangere nicht generell zu impfen, sondern nur in Einzelfällen nach einer Nutzen-Risiko-Abwägung. Während der Stillphase sieht sie zwar kein Risiko für den Säugling, erteilt aber auch hier keine allgemeine Impfempfehlung.
In einer Studie aus New York, veröffentlicht am 23. Januar 2021 im American Journal of Obstetrics and Gynecology, wurden die Blutproben von 88 Frauen analysiert, die zwischen März und Mai 2020 entbunden wurden. In dieser Zeit war New York City das Epizentrum der Pandemie. In dieser Phase wurden 10 bis 15 % aller Frauen, die in der Region in eine Entbindungsstation kamen, positiv auf das Coronavirus getestet. Alle Frauen hatten SARS-CoV-2 Antikörper im Blut, 58 % waren asymptomatisch. Die Konzentration an Antikörpern war bei den symptomatischen Patientinnen signifikant höher als bei denjenigen, die keine Symptome aufwiesen. Im Nabelschnurblut der Neugeborenen wurden in 78 % der Fälle Antikörper gefunden. Kein Neugeborenes war infiziert.
Neugeborene von symptomatischen Müttern hatten höhere Antikörpertiter als solche, deren Mütter keine Symptome entwickelt hatten. Nach dem Auftreten der ersten COVID-19-Symptome erreichten die Spiegel von IgM nach 15 Tagen, von IgG nach 30 Tagen ihren Höhepunkt. Die Studie zeigt, dass mütterliche SARS-CoV-2 Antikörper die Plazenta passieren, was man bereits von anderen Infektionen kennt. Durch eine Impfung in der Schwangerschaft könnten die gebildeten Antikörper ebenfalls auf das Kind übertragen werden und dies vor einer Infektion schützen. Wie hoch dieser Schutz ist und wie lange er anhält, muss weiter untersucht werden.
Das American Journal of Obstetrics and Gynecology veröffentlichte am 26. März 2021 eine Studie zur COVID-19-Impfung in Schwangerschaft und Stillzeit. Daran beteiligt war unter anderem die renommierte Harvard University. Es wurden 131 Frauen untersucht, die entweder schwanger (84 Frauen), in der Stillperiode (31 Frauen) oder keines von beidem waren (16 Frauen). Alle wurden mit einem mRNA-Impfstoff (Biontech/Pfizer oder Moderna) geimpft.
Weder die Höhe der Antikörpertiter, noch die Nebenwirkungen der Impfungen wichen deutlich voneinander ab. Antikörper fanden sich neben dem mütterlichen Serum auch in allen Proben aus Nabelschnurblut und Muttermilch. Im Vergleich zur Antikörperbildung 4–12 Wochen nach einer Infektion, lagen die Titer nach Impfung deutlich höher. Eine Übertragung der mütterlichen Antikörper nach einer COVID-19-Impfung auf das Neugeborene über Plazenta oder Muttermilch wurde hiermit belegt.
„Schwangere Frauen ab dem 2. Trimester können sich in einer Impfstelle impfen lassen“, so zu lesen in der offiziellen Impfempfehlung Frankreichs vom 16. April 2021.
Die Pressestelle von Public Health England hat ebenfalls am 16. April 2021 folgendes Statement veröffentlicht: „Reale Daten aus den Vereinigten Staaten zeigen, dass etwa 90.000 schwangere Frauen geimpft wurden, hauptsächlich mit mRNA-Impfstoffen, darunter Biontech/Pfizer und Moderna, ohne dass Sicherheitsbedenken aufgetreten sind.“ Aufgrund dieser Daten rät das Joint Committee on Vaccination and Immunisation (JCVI), dass Schwangere vorzugsweise mit diesen Impfstoffen geimpft werden sollen. Zwar gibt es keine Anhaltspunkte, dass andere Impfstoffe für Schwangere ungeeignet sind, doch sind weitere Untersuchungen erforderlich.
Professor Wei Shen Lim, COVID-19-Verantwortlicher des JCVI, sagte: „Wir ermutigen schwangere Frauen, die Risiken und Vorteile mit ihrem Arzt zu besprechen – diejenigen, die ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Folgen von COVID-19 haben, werden ermutigt, das Angebot der Impfung sofort anzunehmen, wenn es ihnen angeboten wird.“ Es gäbe keine spezifischen Sicherheitsbedenken irgendeiner Art von COVID-19-Impfstoffen in Bezug auf die Schwangerschaft.
Dr. Mary Ramsay, Leiterin der Abteilung Immunisierung bei Public Health England, betonte: „Die verfügbaren Daten zu den Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna geben die Zuversicht, dass sie schwangeren Frauen sicher angeboten werden können.“
Aus Israel gibt es mittlerweile eine klare Impfempfehlung vom Verband israelischer Frauenärzte für schwangere und stillende Frauen. Zuvor waren in Israel eine Reihe schwerer COVID-19-Erkrankungen bei Schwangeren aufgetreten.
Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) hat eine Stellungnahme im aktuellen Fachjournal Frauenarzt veröffentlicht. Eine generelle Impfung aller Schwangeren wird derzeit von den Fachgesellschaften nicht befürwortet, man solle aber schwangere Frauen nicht grundsätzlich vom Impfprogramm ausschließen. Angeboten werden kann die Impfung insbesondere dann, wenn bei einer Schwangeren eine Vorerkrankung oder ein hohes Expositionsrisiko vorliegt. Ein ausführliches Aufklärungsgespräch sollte nach Nutzen-Risiko-Abwägung geführt werden, in dem individuelle und schwangerschaftsspezifische Risiken einer COVID-19-Erkrankung und einer Impfung gegeneinander abgewogen werden.
Vorerkrankungen wie Hypertonus und Diabetes mellitus, mütterliches Alter über 35 Jahren und Adipositas sind Risikofaktoren für einen schweren COVID-19-Verlauf. Schwangere, die an Corona erkranken, weisen höhere Frühgeburtenraten, Präeklampsie-Prävalenzen und thromboembolische Ereignisse auf. Die Sterblichkeit von Schwangeren mit COVID-19 ist im Altersvergleich deutlich erhöht. Neonatale Infektionen sind selten symptomatisch und die Infektionsrate ist nicht höher bei vaginaler Geburt, beim Stillen oder Rooming-in (Aufnahme der Eltern ins gleiche Krankenzimmer wie das Kind).
Die DGGG sieht in der derzeit noch dünnen Datenlage das Hauptproblem, um die Impfung in der Schwangerschaft generell zu empfehlen. Tierexperimentelle Studien haben bisher keine negativen Hinweise erbracht. Die Hersteller von Moderna und Biontech/Pfizer erheben Beobachtungsdaten von akzidentiell geimpften Schwangeren. Bisher haben Nicht-Lebendimpfstoffe keine spezifischen Risiken in der Schwangerschaft gezeigt. Die Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 beinhalten keine replikationsfähigen Viren, so dass kein Infektionsrisiko für das Ungeborene besteht. Sowohl Impfschutz als auch Nebenwirkungsprofil gleichen sich bei Schwangeren und Nichtschwangeren.
Eine Nutzen-Risiko-Abwägung wird auch für den Impfstoff von AstraZeneca gesehen, wobei dieser aufgrund der offiziellen Altersbeschränkung auf über 60-Jährige im Moment hier nicht zur Diskussion steht.
Für Kinderwunsch und Stillzeit gibt das britische Impfkomitee JCVI folgende Empfehlung: „Frauen, die eine Schwangerschaft planen, sich im unmittelbaren Wochenbett befinden oder stillen, können je nach Alter und klinischer Risikogruppe mit jedem Impfstoff geimpft werden.“
In Deutschland empfiehlt der Vorstand der DGGG, Prof. Dr. Michael Abou-Dakn: „Eine grundsätzliche Routineempfehlung aller Stillenden wird derzeit auch auf Basis der aktuell limitierten Impfstoffressourcen mehrheitlich von den Fachgesellschaften nicht empfohlen.“
Sowohl die STIKO, als auch die Society for Maternal Fetal Medicine (SMFM) sehen kein Risiko für ein gestilltes Kind, dessen Mutter sich gegen COVID-19 impfen lässt. Weiterhin gibt es international keine Empfehlungen für eine Verzögerung des Stillbeginns, eine Stillunterbrechung oder das Abstillen nach der Impfung.
Deshalb zieht die DGGG folgendes Fazit: „Der potentielle Nutzen der Impfung überwiegt bei Stillenden mit erhöhtem COVID-19-Risiko die theoretischen Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Impfung deutlich.“ Weder STIKO noch DGGG sehen einen Hinweis, dass mRNA-Impfstoffe die Fertilität beeinträchtigen. Eine Immunisierung vor der Schwangerschaft kann die Infektionsgefahr während der Schwangerschaft und die damit verbundenen Risiken verringern.
Frauen, die nach der ersten Dosis schwanger werden, sollen eine zweite Impfdosis erhalten. Eine Impfung bei noch unbekannter Schwangerschaft ist keine Indikation für einen Abbruch. Routinemäßige Schwangerschaftstests vor COVID-19-Impfungen sind nicht erforderlich. Eine Antikonzeption nach Impfung ist nicht nötig.
Wichtige Institutionen für Impfempfehlungen bei Kinderwunsch, Schwangerschaft und Stillzeit, sind in Deutschland die STIKO und die DGGG. Beide sehen kein Hinderungsgrund für Frauen mit Kinderwunsch, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen. Weder ein vorausgehender Schwangerschaftstest, noch eine Antikonzeption nach der Impfung sind erforderlich. Eine generelle Impfempfehlung für Schwangere gibt es derzeit aber nicht, wobei das Risiko für einen schwereren COVID-19-Verlauf in der Schwangerschaft höher liegt. Bei Vorerkrankungen oder hohem Expositionsrisiko sind individuelle Impfempfehlungen in der Schwangerschaft möglich. Man geht davon aus, dass das ungeborene Kind über plazentagängige Antikörper von einer Impfung profitiert.
In der Stillzeit gibt es ebenfalls keine allgemeine Impfempfehlung, obwohl auch hier ein Schutz des Neugeborenen durch mütterliche Antikörper anzunehmen ist. Es bleibt die Hoffnung auf umfassende internationale Studien, die eine Unbedenklichkeit der Impfung in Schwangerschaft und Stillperiode belegen – damit auch Schwangere und Neugeborene gut geschützt einem baldigen Ende der Pandemie entgegensehen können.
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