Einer Umfrage zufolge will jede dritte Pflegekraft auf der Intensivstation in den nächsten 12 Monaten kündigen – die meisten von ihnen wegen extremer Überlastung in der Pandemie. Gehen mit ihnen auch die Ärzte?
Nach der Corona-Pandemie könnte es noch größere Engpässe in der Versorgung von Patienten auf der Intensivstation geben. Darauf deuten zumindest Ergebnisse einer Umfrage hin: 31 Prozent der nichtärztlichen Mitarbeiter in den Intensivstationen, Notaufnahmen und im Rettungsdienst wollen in den kommenden zwölf Monaten ihren Job aufgeben. Der Grund: Das Personal ist während der dritten Corona-Welle noch unzufriedener mit ihren Arbeitsbedingungen – und ist überzeugt, dass es nach der Pandemie noch schlimmer wird.
An der Online-Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) haben insgesamt 1.321 Menschen teilgenommen, davon 57 Prozent Pflegekräfte, 35 Prozent Ärzte und Ärztinnen, 5 Prozent Rettungs- oder Notfallsanitäter und -sanitäterinnen und 3 Prozent sonstige Mitarbeiter. Sie wurden zwischen dem 5. und dem 16. April befragt. Im Vergleich hatten nichtärztliche Mitarbeiter häufiger Kontakt mit COVID-Patienten als die ärztlichen Kollegen.
Die Umfrage zeigt, dass die Belastungen der aktuellen dritten Welle an allen Befragten nagen: 45 Prozent der Ärzte und 72 Prozent der in Gesundheitsfachberufen Tätigen gab an, sich während der aktuellen dritten Welle überlastet zu fühlen. Daher gibt es auch unter den ärztlichen Mitarbeitern viele, die Konsequenzen ankündigen: Knapp jeder 5. Arzt will laut Umfrage bald seine Arbeitsstelle kündigen.
Dabei haben fast alle Umfrageteilnehmer (95 Prozent) angegeben, ihren Arbeitsplatz grundsätzlich als attraktiv zu empfinden und würden gerne dort weiterarbeiten, wenn die Arbeitsbelastung erträglich wäre. Um die Belastung etwas zu drücken, wünschen sich 30 Prozent der Ärzte und 46 Prozent der nichtärztlichen Beschäftigten, ihre Stunden zu reduzieren.
Christian Karagiannidis, Leiter des DIVI-Intensivregisters und Präsident der DGIIN, spricht auf Twitter von einer „bitteren Bilanz nach einem Jahr Corona“. Denn über zwei Drittel gaben an, dass die Entscheidung, den Stellenanteil zu reduzieren oder gar zu kündigen, durch die Belastungen der Corona-Pandemie beeinflusst wurden. Ein weiterer Grund ist aber auch die Überzeugung, dass der Ärzte- und Pflegermangel nach der Pandemie noch ausgeprägter sein wird. Daran glaubt eine überwältigende Mehrheit von 97 beziehungsweise 89 Prozent.
Das Vertrauen darauf, dass die Politik konkrete Verbesserungen bewirken wird, ist kaum vorhanden, wie die Umfragewerte zeigen. 96 Prozent der Befragten trauen der Politik nicht zu, Lösungen für den Personalmangel herbeizuführen.
Wie viele Angestellte ihre Ankündigung, den Job zu verlassen, tatsächlich wahrmachen, bleibt abzuwarten. Würde es genauso eintreten, könnten die Folgen für die Gesundheitsversorgung fatal sein. Denn die Lage ist aktuell schon angespannt: Die Zahl der Pflegebeschäftigten ging zwischen Anfang April und Ende Juli 2020 um mehr als 9.000 zurück. Das ergab eine Datenabfrage der Linken bei der Bundesagentur für Arbeit, berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das entspreche einem Rückgang um 0,5 Prozent in kurzer Zeit. Vor der Pandemie seien den Daten zufolge die Beschäftigtenzahlen in der Pflegebranche noch leicht gestiegen. Die Kündigungswelle habe vor allem die Krankenpflege in den Kliniken getroffen.
Die Ergebnisse der aktuellen Umfrage zeigen aus Sicht der DGIIN eindringlich, dass es endlich konkrete Verbesserung und eine Aufwertung vor allem der Pflegeberufe braucht. „Nur Applaus während der Pandemie reicht nicht“, sagt Carsten Hermes, Sprecher der Sektion Pflege. Die Forderungen: Eine als gerecht empfundene Bezahlung, nachhaltige Anpassungen der Arbeitsbedingungen, die auch kontrolliert werden und verbindliche Personalschlüssel, die sich am tatsächlichen Bedarf orientieren.
Hier findet ihr alle Umfrageergebnisse im Überblick.
Bildquelle: Elia Pellegrini, unsplash