Das Sprachverständnis von Menschen mit Cochlea-Implantat wird durch Hintergrundgeräusche oft erheblich beeinträchtigt. Jetzt gibt es verbesserte Implantate, die sich Licht zunutze machen.
Gesprochene Worte verstehen, eine normale Sprache entwickeln – Cochlea-Implantate ermöglichen Menschen mit hochgradigem Hörverlust einen großen Gewinn an Lebensqualität. Problematisch sind jedoch Hintergrundgeräusche, sie beeinträchtigen das Sprachverständnis von Menschen mit Cochlea-Implantat erheblich.
Ein Team um Tobias Moser vom Institut für Auditorische Neurowissenschaften und InnenOhrLabor der Universitätsmedizin Göttingen sowie der Forschungsgruppe Auditorische Neurowissenschaften und Optogenetik am Deutschen Primatenzentrum des Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ) arbeitet deshalb daran, Cochlea-Implantate zu verbessern. Die Forschenden wollen die Nervenzellen im Ohr mittels gentechnischer Methoden lichtempfindlich machen, um sie dann mit Licht, statt wie bisher mit Strom, anzuregen. Denn mit Licht, so die Erwartung, können die Neuronen im Ohr selektiver angeregt werden.
Nun ist dem Team ein weiterer wichtiger Schritt zur Entwicklung des optischen Cochlea-Implantates gelungen. In einer Kooperation mit Röntgenphysikern um Tim Salditt, der wie Moser am Göttinger Exzellenzcluster Multiscale Bioimaging (MBExC) forscht, konnten sie mittels kombinierter bildgebender Verfahren von Röntgentomographie und Fluoreszenzmikroskopie detaillierte Abbildungen der Hörschnecken von Nagetieren und nicht-humanen Primaten erstellen. Damit wurden wichtige Parameter für das Design und die Materialbeschaffenheit optischer Cochlea-Implantate ermittelt.
Darüber hinaus gelang den Forschenden die Simulation der Ausbreitung des Lichts in der Cochlea von Weißbüschelaffen. Die Ergebnisse der Simulation zeigen, dass eine räumlich begrenzte optogenetische Anregung der Hörnervenzellen möglich ist. Demnach würde die optische Stimulation zu einem viel differenzierteren Höreindruck führen als die bislang verwendete elektrische Stimulation. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht.
Die Entwicklung optischer Cochlea-Implantate ist ein komplexes Unterfangen, das von der Erforschung grundlegender Prinzipien bis zur Anwendung in der Klinik viele verschiedene Disziplinen einbezieht. Ein Faktor ist die komplizierte Struktur der Cochlea, die für Untersuchungen, auch mittels bildgebender Verfahren, nur schwer zugänglich ist. Für die Entwicklung von Gentherapie und optischen Cochlea-Implantaten ist die detaillierte Kenntnis des Aufbaus der Cochlea jedoch entscheidend.
Zur Entwicklung sowie zur Überprüfung der Wirksamkeit und der Sicherheit von Gentherapie und optischen Cochlea-Implantat sind die Forschenden auf Tierversuche angewiesen. Zu den geeigneten Tiermodellen gehören Nagetiere wie Maus, Ratte, Wüstenspringmaus und auch nicht-humane Primaten.
„Für (spät-) vorklinische Studien sind genaue Kenntnisse der Anatomie der Cochlea notwendig. Wir haben Phasenkontrast-Röntgentomographie und Lichtblatt-Fluoreszenzmikroskopie sowie deren Kombination eingesetzt, um die Struktur der Cochlea sowohl der wichtigsten Nagetiermodelle als auch der Weißbüschelaffen darzustellen“, erläutert Daniel Keppeler, Erstautor der Studie. „Für die skalenübergreifende und multimodale Bildgebung haben wir spezielle Instrumente und Methoden entwickelt, sowohl hier bei uns im Labor also auch mit Synchrotronstrahlung“, ergänzt Kooperationspartner Tim Salditt.
„Auf diese Weise konnten wir detaillierte Erkenntnisse zur Anatomie von Knochen, Geweben und Nervenzellen gewinnen. Diese Parameter sind relevant für die Entwicklung der Implantate speziell für diese Tierarten“, sagt Keppeler.
Bildquelle: Pressemitteilung, Daniel Keppeler, UMBMit den gewonnenen Daten zur Anatomie der verschiedenen Hörschnecken konnte das Team auch ein Implantat mit LED-Emittern für Weißbüschelaffen konzipieren und die Implantation erfolgreich an Präparaten der Hörschnecken von Weißbüschelaffen durchführen. Dabei wurde das Implantat analog zur Operation bei Menschen eingesetzt.
Des Weiteren simulierten die Forschenden anhand der Daten aus der Bildgebung die Ausbreitung des von den Emittern erzeugten Lichts der optischen Implantate in der Cochlea nicht-menschlicher Primaten. „Unsere Simulationen weisen auf eine räumlich begrenzte optogenetische Anregung der Hörnervenzellen und damit eine höhere Frequenzselektivität hin als bei der bisherigen elektrischen Stimulation. Nach diesen Berechnungen führen optische Cochlea-Implantate zu einer deutlich verbesserten Hörwahrnehmung, welche Sprache, aber auch Musik einschließen dürfte“, so Moser.
Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt. Der Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung.
Bildquelle: Daniel Keppeler, PM des DPZ