Eine Auswertung des israelischen Biontech-Impfprogramms deutet auf seltene Fälle von Perimyokarditis nach mRNA-Impfstoff hin. Es ist nicht der erste derartige Bericht. Deutschland sieht bisher kein spezifisches Signal.
Die beiden mRNA-Impfstoffe von Pfizer/Biontech und Moderna gelten als der „Edelstoff“ unter den COVID-19-Impfstoffen. Anders als bei den Vektorimpfstoffen von AstraZeneca und Johnson & Johnson scheint die impfstoffinduzierte Thrombopenie mit Thrombosen (VITT) bei mRNA nicht aufzutreten. Auch gilt zumindest die Erstimpfung mit mRNA-Impfstoff als verträglicher als die Erstimpfung mit einem Vektorimpfstoff.
Doch jetzt gibt es Unruhe an der Edelstoff-Front: Israelische Medien berichteten über eine Analyse im Zusammenhang mit der israelischen Impfkampagne. Innerhalb dieser Kampagne haben mittlerweile mehr als fünf der neun Millionen Israelis die Zweitimpfung mit dem mRNA-Impfstoff von Pfizer/Biontech erhalten. Die aktuelle Analyse zeigt jetzt offenbar, dass bei 5,5 Millionen doppelt Geimpften insgesamt 62 Fälle von Myokarditis auftraten. 55 der Betroffenen seien Männer gewesen, die meisten jung, zwischen 18 und 30 Jahren. Es gab bisher zwei Todesfälle, ein Mann und eine Frau.
Veröffentlicht sind diese Daten noch nicht. Das israelische Gesundheitsministerium hat sich mit etwas Verzögerung dahingehend geäußert, dass es keinen eindeutigen Anstieg der Sterblichkeit wegen der Impfung gebe. Auch sei nicht sicher, dass es im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg an Herzmuskelentzündungen gebe. Das allerdings ist nicht ganz leicht zu beurteilen, denn ähnlich wie bei Sinusvenenthrombosen ist die „natürliche“ Häufigkeit der Myokarditis schwer bezifferbar.
Prof. Leif Erik Sander, Corona-Impfstoffexperte an der Charité Berlin, nannte auf Twitter eine „normale“ Inzidenz von 6 pro 100.000 pro Jahr bei Männern und 4 pro 100.000 pro Jahr bei Frauen. Das wäre, berücksichtigt man den Impfzeitraum von nur wenigen Monaten, in etwa die Größenordnung, die auch die Israelis beschreiben. Allerdings ist die Myokarditis in jüngeren Jahren häufiger, weswegen es strenggenommen einen Normwert für unter 30-jährige bräuchte. Sander betont in jedem Fall, dass es bisher unklar sei, ob eine kausale Verbindung zur mRNA-Impfung vorliege. Prinzipiell sei das aber plausibel, da es auch andere Medikamente gebe, die eine Herzmuskelentzündung hervorrufen könnten. Die Sache müsse deswegen genauestens untersucht werden.
In Deutschland ist das Paul-Ehrlich-Institut gerade dabei, seine Statistiken auszuwerten. Eine genaue Zahl möchte man derzeit noch nicht kommunizieren, betont aber, dass es insgesamt nur sehr wenige Meldungen gebe. Auch habe man keinen Hinweis darauf, dass (Peri-) Myokarditiden bei Comirnaty®-Impfung häufiger aufträten als bei den anderen Impfstoffen. Direkt vergleichbar sind die deutschen Zahlen mit den israelischen aber ohnehin (noch) nicht. Denn es könnte sein, dass es sich um ein immunologisches Problem handelt, das eher nach Zweitimpfung auftritt.
Tatsächlich ist die israelische Analyse nicht der erste Hinweis auf mögliche Perimyokarditiden nach mRNA Impfung, allerdings gibt es noch keinerlei systematische Erhebungen. Mitte April veröffentlichten spanische Kardiologen einen Fallbericht zu einer akuten Myokarditis nach Biontech-Impfung. Es handelte sich um einen 39-jährigen Patienten, der unmittelbar nach Zweitimpfung Beschwerden bekam. Der Report ist nur auf Spanisch verfügbar.
Auf Twitter berichtet außerdem der Kardiologe Dr. Ihsan Rafie vom Heart Hospital Hamad Medical Corporation in Doha, Katar, über eine Fallserie von acht Patienten mit MRT-bestätigter Perimyokarditis allein in seinem Krankenhaus: „Ich denke, Perimyokarditis ist eine unerkannte Nebenwirkung der mRNA Vakzine“, so Rafie. Mehr könne er noch nicht sagen, da die Publikation derzeit noch im Review-Prozess sei.
Auch aus den USA gibt es einzelne Berichte. Ebenfalls auf Twitter schilderte vor zwei Wochen Prof. Suhail Allaqaband, Leiter des Herzkatheterlabors am St. Luke's Medical Center in Wisconsin, den Fall eines 18-jährigen Patienten, der zwei Tage nach Moderna-Impfung mit Brustschmerzen, einem auffälligen EKG-Befund und einem Troponin-I-Wert von 50 ng/l (Norm < 0,04 ng/l) vorstellig wurde. Auch hier fand sich eine MRT-bestätigte Perimyokarditis.
All das sind keine Beweise für Kausalität. Aber gerade wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs sind die Berichte zumindest auffällig. Das sieht auch Prof. Eric Topol vom Scripps Institute in La Jolla so, ebenfalls Kardiologe: „Ursache und Wirkung sind NICHT klar, aber wir müssen das analysieren.“ Zumal, so Topol, derartige Perimyokarditiden auch von einigen anderen Impfstoffen bekannt seien.
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