Menschen mit Achondroplasie fallen durch ihren dysproportionierten Kleinwuchs auf. Dieser ist mit vielfältigen und zum Teil schwerwiegenden Komplikationen verbunden: Sie sind schmerzhaft, lebensbedrohlich oder bedeuten weitreichende Einschränkungen.1, 2, 3
Zu den möglichen Komplikationen gehört unter anderem ein enges Hinterhauptsloch (Stenose des Foramen magnum). Bei manchen Kleinkindern (5–10 %) kann das lebensbedrohliche Folgen wie Atemprobleme nach sich ziehen.1, 3 Im weiteren Leben ist zudem der Wirbelkanal verengt (Spinalkanalstenose).1 Diese Faktoren können zur Rückenmarkskompression (zervikale Myelopathie) führen, die das Nervengewebe schädigt. Die Folgen sind: Schmerzen in Armen und Beinen, eine verschlechterte Feinmotorik sowie eine reduzierte Ausdauer. Auch eine Darm- und Blaseninkontinenz kann sich einstellen.1 Aufgrund der anatomischen Besonderheiten sind manche Aktivitäten, die den Druck auf das Rückenmark erhöhen können, für Menschen mit Achondroplasie sehr riskant, etwa Kopfbälle beim Fußball, Sparring beim Kampfsport oder Trampolinhüpfen.1
Veränderte Proportionen, motorische Fertigkeiten und Sprache
Da bei der Achondroplasie die Extremitäten verkürzt sind, der Kopf hingegen vergrößert ist, lernen Kleinkinder das Sitzen und Laufen in aller Regel etwas verzögert. Insgesamt prägen sich die motorischen Fähigkeiten später aus. Ein zusätzlicher Grund ist die geringere Muskelspannung. Für die Kinder ist dies jedoch kein Hindernis: Sie begegnen dieser Hürde im Krabbelalter mit cleveren Strategien, bspw. indem sie den Kopf auf den Boden auflegen und sich mit den Füßen vorwärts schieben.1, 4
Eine Dysproportion lässt sich auch im Gesicht feststellen: So ist die Partie um die Nase kleiner als das obere und untere Gesichtsdrittel (Mittelgesichtshypoplasie). Dies äußert sich unter anderem durch ein flaches Nasenbein.3 Aber auch die Eustachische Röhre, die das Mittelohr und den Rachen miteinander verbindet, ist verengt. Die Konsequenz sind häufige Mittelohrentzündungen (Otitis media) von denen 50–70 % aller Menschen mit Achondroplasie betroffen sind. Dadurch wird das Mittelohr oftmals bis hin zur Schwerhörigkeit geschädigt. Passiert das schon im frühen Kindesalter, verzögert sich die Sprachentwicklung.1, 3
Schlafapnoe und erhöhtes Risiko für Herzerkrankungen
Mit der Achondroplasie ist darüber hinaus die Verengung der oberen Atemwege verbunden. Dies führt zu schlafbezogenen Atemstörungen wie der Schlafapnoe.1, 5 Zwar ist diese Komplikation meist nicht akut lebensbedrohlich, auf lange Sicht wirkt sie sich jedoch deutlich negativ aus: Der Blutdruck steigt und die Herzgesundheit leidet. Durch die schlechte Schlafqualität ereignen sich auch häufiger Unfälle.1 Die Atmung kann außerdem durch einen anderen Mechanismus beeinträchtigt werden: Bei wenigen Säuglingen stellt sich infolge der Dysproportion im Bereich des Brustkorbs (kleiner und nachgiebiger) gar eine restriktive Lungenerkrankung ein, z. B. eine Lungenfibrose.1
Bei jungen Erwachsenen mit Achondroplasie (25 bis 35 Jahre) ist das Risiko für Herzerkrankungen zehnfach erhöht, verglichen mit denjenigen ohne Achondroplasie.1, 6 Möglicherweise spielt hierbei starkes Übergewicht eine Rolle, mit dem bereits die Hälfte der Menschen mit Achondroplasie schon in der Kindheit zu tun haben. Es wird vermutet, dass der niedrigere Kalorienumsatz dafür verantwortlich ist.1, 7, 8 Er beträgt nur ca. 65 % eines durchschnittlich großen Menschen.1 Zudem werden Kinder mit Achondroplasie zum Teil aufgrund ihres anderen Aussehens stigmatisiert und sozial ausgeschlossen. Das kann Stress und sogenanntes emotionales Essen verursachen, was wiederum Übergewicht begünstigt.8
Rückenleiden, Gelenkbeschwerden und Arthrose
Neben Herzproblemen verursacht starkes Übergewicht Gelenkbeschwerden und führt zu einer weiteren Verengung des Wirbelkanals (lumbale Spinalkanalstenose). Neurologische und orthopädische Komplikationen nehmen zu.7, 8 Kinder unter einem Jahr bilden fast alle einen Rundrücken (thorakolumbale Kyphose) aus. Dieser geht, sobald sie stehen und gehen können, meist von allein wieder weg und in ein Hohlkreuz (lumbale Hyperlordose) über. Verursacht dieses Schmerzen, bspw. beim Gehen, ist wahrscheinlich der zu enge Wirbelsäulenkanal ursächlich. Schmerzen treten bei den meisten Menschen mit Achondroplasie früher oder später auf. Jedoch haben nur wenige eine so starke Verengung des Wirbelkanals, dass es eines chirurgischen Eingriffs bedarf.1
Weiter kann die Achondroplasie zu verfrühtem Knorpelabbau mit Gelenkverschleiß (Arthrose) führen.1, 6 Dies liegt an den überbeweglichen Gelenken (Gelenkhypermobilität) wie Hüfte und Knie sowie an den eingeschränkt beweglichen Ellenbogen.1 Arthrose bedeutet Schmerzen: Fast zwei Drittel (~ 66 %) aller Erwachsenen mit Achondroplasie berichten von chronischen Schmerzen, die unter anderem den Alltag erschweren und Hilfe erforderlich machen. 10–15 % der Erwachsenen sind sogar auf dauerhafte Unterstützung angewiesen. Die Summe der Komplikationen zeigt, wie komplex die Achondroplasie ist, und dass sie sich einschränkend auf die Lebensqualität auswirkt – und zwar deutlich jenseits der Körpergröße.1
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Referenzen:
EU-ACH-00048, Mai 2021