Der Hype um ein Asthmaspray als Mittel gegen COVID-19 könnte zum Problem für Asthmatiker werden – denn die Nachfrage steigt rapide. Dabei ist die Wirkung nicht einmal nachgewiesen.
Die kürzlich veröffentlichte STOIC-Studie zu inhalativem Budesonid im Frühstadium von COVID-19 sorgt für großes Aufsehen – und zu übertriebenen Erwartungen. Darin sind sich deutsche Lungenärzte einig. Kaum war die Studie draußen, wurde das Mittel von Karl Lauterbach prompt als „Gamechanger“ bezeichnet (wir berichteten). Die Publikation legte nahe, das inhalative Steroid könne dazu beitragen, die Zeit bis zur Genesung zu verkürzen und schwere Verläufe zu verringern.
Pneumologen sehen sich aktuell dazu gezwungen, die Sache klarzustellen. Die Studie sei nicht aussagekräftig genug, um eine breite Anwendung zu empfehlen, heißt es einem Pressegespräch der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Und jetzt zeigt sich ein neuer Trend, der zum Problem werden könnte: Das Mittel wird deutlich häufiger nachgefragt.
„Es melden sich erste Patienten, die ihr Asthmaspray nicht in der Apotheke erhalten können“, so Marco Idzko über die Lage in Österreich. Er ist Leiter der Klinischen Abteilung Pulmologie im AKH Wien. Die vermehrte Off-Label-Verschreibung des Asthmasprays habe zwischenzeitlich dazu geführt, dass das Asthmaspray in Österreichs Apotheken knapp geworden sei. Aus Sorge vor Versorgungsengpässen verhängte das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) vorsorglich ein Exportverbot.
„Es war sehr gefährlich, wenn Politiker hier von einem Gamechanger sprechen“, kritisiert Idzko die Aussage Karl Lauterbachs bei Twitter. „Mein dringender Appell geht an alle Covid behandelnden Ärzte, kein Budesonid zu verschreiben, solange keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen“, so Idzko.
In Deutschland gebe es keine Informationen zu einer Verknappung, sagt DGP-Präsident Michael Pfeifer. Auch er appelliert, „Budesonid nicht zu hamstern“, da Asthmapatienten auf diese Medikation angewiesen seien. Einzelne Twitter-User aus Deutschland bestätigen den Trend: „Budesonid-Inhalatoren sind in jeder Apotheke der Stadt ausverkauft.“, schreibt Dr. Acula. Ob offizielle Daten das belegen, bleibt abzuwarten.
Besonders kritisch sehen Pfeifer und seine Kollegen im Fall Budesonid, dass Empfehlungen für die Behandlung von Patienten herausgegeben werden, bevor sie von Experten auf Wirksamkeit, Sicherheit und Übertragbarkeit bewertet würden. Dieses Phänomen sei erst seit der Pandemie verstärkt zu beobachten. „Das ist eine neue Dimension, die wir bislang so nicht kannten“, so Pfeifer. Man könne die Situation mit der Diskussion um Hydroxychloroquin vergleichen. Auch in diesem Fall gelangten Studienergebnisse an die Öffentlichkeit, noch bevor Experten die Chance hatten, sachlich zu bewerten.
Bei der Studie müsse „aufgrund des offenen Studiendesigns [...] von einem erheblichen Placebo-Effekt ausgegangen werden“, sagt Idzko. In den Medien sei vor allem das Ergebnis, dass Budesonid die Dauer der Symptome um einen Tag verkürze und die Häufigkeit von Arztbesuchen reduziere, erwähnt worden. Doch lasse sich das aus der Studie nicht eindeutig ableiten. Idzko: „Die Studie ist leider vom Design her schlecht gemacht und höchstens hypothesengenerierend.“
Die größten Schwächen seien unter anderem die kleine Teilnehmerzahl, die Nicht-Verblindung und das Fehlen eines Placebo-Arms. Außerdem seien die primären Endpunkt sehr subjektiv gewesen. In dieser Stellungnahme hat die DGP zusammen mit anderen Fachgesellschaften ihre Hauptkritikpunkte an der Studie im Detail zusammengefasst.
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