Innsbrucker Molekularbiologen haben erstmals eine Altersabhängigkeit der sporadischen Alzheimer-Krankheit belegt. Die Wissenschaftler konnten außerdem Gemeinsamkeiten zu Krebserkrankungen feststellen.
Die genetisch bedingte, vererbbare Form der Alzheimer-Krankheit ist gut erforscht. Aufgrund des ähnlichen klinischen Bildes bei Erkrankten, die nicht über die entsprechenden Genmutationen verfügen, ging man davon aus, dass auch die ausschließlich im höheren Alter auftretende, sporadische Form von Alzheimer gleichen Prinzipien folgt.
Sporadisches Alzheimer ist schwer im Labor zu untersuchen, da es mangels Krankheits-Genen keine genetischen Tiermodelle gibt. Auch die zur Verfügung stehende iPS-Methode erlaubte keine Hinweise auf Unterschiede.
„Die iPS-Zellen waren ein Durchbruch für unsere Forschung. Bei dieser Methode gehen allerdings alle epigenetisch in den Zellen gespeicherten Informationen über das Alter verloren. Wir erhalten mit dieser Methode zwar Nervenzellen des jeweiligen Patienten, diese befinden sich allerdings im Baby-Stadium“, erklärt Jerome Mertens, Erstautor der Studie.
Gemeinsam mit seinem Team gelang es dem Molekularbiologen bereits vor einiger Zeit, eine Methode zu entwickeln, um im Labor aus Hautzellen menschliche Nervenzellen zu züchten, die das epigenetische Alter erhalten.
„Mithilfe der Methode der induzierten Nervenzellen (iN) können wir Hautzellen von Patient*innen direkt in Nervenzellen umwandeln, und so auch das Alter sowie alle anderen epigenetischen Informationen des Spenders erhalten“, erklärt Mertens.
Das Forschungsteam untersuchte nun Hautzellen von Alzheimer-Erkrankten und verglich diese mit einer Kontrollgruppe gesunder Menschen. Ein Vergleich der alten Nervenzellen mit den epigenetisch gelöschten, die mittels iPS-Methode hergestellt wurden, zeigte klar, dass diese Form von Alzheimer mit dem Alter zu tun haben muss.
„Die verjüngten Spenderzellen der Alzheimer-Erkrankten zeigten nahezu keine Hinweise auf eine spätere Erkrankung. Wir sahen in den iPS-Nervenzellen keine Unterschiede zwischen den Zellen der Erkrankten und denen der Kontrollgruppe“, beschreibt Mertens. „Welche altersbedingten Mechanismen die Anzeichen von sporadischem Alzheimer auslösen, gilt es nun herauszufinden.“
Ein weiteres wichtiges Ergebnis dieser Studie betrifft den Status der Nervenzellen der Erkrankten. „Die Nervenzellen der Alzheimer-Erkrankten haben ihre reife Identität verloren und zeigen nun Ähnlichkeiten mit ‚unfertigen’ Nervenzellen, die ihre Aufgaben weniger gut erledigen können“, sagt Mertens.
Dieser Verlust von Merkmalen der Zelldifferenzierung bei Alzheimer-Erkrankten hat einige verblüffende Ähnlichkeiten zu Krebszellen, denn ähnlich wie bei Krebszellen sind Alzheimer-Zellen nicht so reif wie gesunde Zellen. Das lässt darauf schließen, dass sie durch Stress und DNA-Schaden dedifferenzieren – ein Prozess, der aus der Krebsforschung gut bekannt ist.
„Unsere Analysen zeigten in den kranken Nervenzellen eine deutliche Herunterregulierung von reifen neuronalen Eigenschaften und eine Hochregulierung von unreifen Signalwegen. Vor allem in der Gruppe der Signalwege, die bei den Erkrankten im Vergleich zur Kontrollgruppe hochreguliert waren, gab es eine enorme Ähnlichkeit zu aus der Krebsforschung bekannten Daten“, erklärt Mertens.
Dieses Ergebnis überrascht, denn Krebs ist ein ganz anderes Krankheitsbild. Er tritt zwar vergleichbar mit Alzheimer öfter in hohem Alter auf, bei dieser Krankheit teilen sich Zellen allerdings unkontrolliert und sterben nicht ab.
Aufbauend auf diesen Ergebnissen wollen Mertens und sein Team nun versuchen, Erkenntnisse aus der Krebsforschung zu nutzen und mit ihrer Hilfe neue und zum Teil unerwartete Methoden zur Bekämpfung der Krankheit Alzheimer aufzuzeigen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Innsbruck. Die Originalpublikation findet ihr hier.
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