Bei Behandlung der multiresistenten Tuberkulose kommt man nicht um Wirksamkeitstests herum. Doch die dauern teilweise mehrere Monate. Eine neue Methode führt jetzt wesentlich schneller zur maßgeschneiderten Therapie.
Die Tuberkulose ist die häufigste zum Tod führende bakterielle Infektionskrankheit. Der Erreger der Tuberkulose, Mycobacterium tuberculosis, weist eine Reihe von Besonderheiten auf. Eine davon: Er wächst sehr langsam. Während man andere typische Krankheitserreger, wie Pneumokokken und Pseudomonaden, bereits in den ersten 72 Stunden durch ihr Wachstum im mikrobiologischen Labor identifizieren kann, vergehen meist mehrere Wochen, bis Tuberkulosebakterien im Labor anwachsen. So vergehen oft ein bis zwei Monate, bevor die Wirksamkeit der einzelnen Medikamente getestet werden kann.
Diese Wirksamkeitstests sind aber unerlässlich für die effektive Behandlung der multiresistenten Tuberkulose (MDR-TB), die immer häufiger auftritt. Hier ist der Erreger gegenüber den besten Tuberkulosemedikamenten, Rifampicin und Isoniazid, resistent geworden. Ursache sind Mutationen, die fast immer an denselben Stellen im Genom auftreten. Die Therapie der MDR-TB ist langwierig, kostspielig und von häufigen Nebenwirkungen geprägt.
Für die Wahl der Antibiotika in einer Kombinationstherapie sind die behandelnden Ärzte bislang auf die Ergebnisse der Medikamententestung nach Anzucht angewiesen. „Aktuell stehen 15 Medikamente für die Zweitlinientherapie zur Verfügung, von denen mindestens vier miteinander kombiniert werden“, erklärt Prof. Christoph Lange, der die klinische Studie am Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum, koordinierte.
Um die Wahl der effektivsten Antibiotika zu beschleunigen, haben Wissenschaftler*innen um Prof. Stefan Niemann am Forschungszentrum Borstel einen Katalog von Mutationen im Erbgut der Tuberkulosebakterien erstellt, mit dem sich Antibiotikaresistenzen der Bakterien gegen alle Medikamente vorhersagen lassen. Im Gegensatz zu vielen anderen Bakterien verändert sich das Erbgut der Tuberkulosebakterien kaum über die Zeit. Das Genom der Tuberkulosebakterien trägt ca. 4.4 Millionen Basenpaare, welche die Information für ca. 4.000 Gene speichern.
Hans-Peter Grobbel, Medizinstudent und DZIF-Doktorand im Team von Christoph Lange, hat nun die Ergebnisse der Vorhersagen von Antibiotikaresistenzen durch Gesamt-Genomanalysen untersucht. An Tuberkulosebakterien von 70 Patient*innen mit einer MDR-TB, die an der Medizinischen Klinik in Borstel behandelt wurden, verglichen die Forscher die molekulare Vorhersage der Antibiotikaresistenzen mit denen der tatsächlichen kulturellen Testergebnisse. Sie wurden von Prof. Florian Maurer, dem Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Mykobakterien (NRZ) in Borstel, beigesteuert. Die Forschenden überprüften außerdem, ob basierend auf der Vorhersage der Erbsubstanz der Bakterien verlässliche Kombinationen von Medikamenten für die Therapie der MDR-TB zusammengestellt werden können.
„99 % aller Medikamente in Kombinationstherapien, die wir basierend auf den Ergebnissen der molekularen Vorhersagen aus der Erbsubstanz der Tuberkulosebakterien zusammengestellt haben, sind nach den Ergebnissen der traditionellen mikrobiologischen Antibiotikaresistenztestung auch wirksam“, so Grobbel. Die molekularen Verfahren sind inzwischen preisgünstig und schnell. Idealerweise können betroffene Patient*innen bereits in der ersten Woche der Diagnosestellung einer Tuberkulose eine maßgeschneiderte MDR-TB Therapie erhalten.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Forschungszentrums Borstel, Leibniz Lungenzentrum. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Salvador Godoy, Unsplash