Nicht alle Personen mit möglicher SARS-CoV-2-Infektion haben Lust auf Quarantäne. Das ist riskant. Ich finde, wir brauchen finanzielle Anreize für die Isolation.
Aus Fehlern nichts gelernt – dieser Spruch zieht sich wie ein roter Faden durch die Corona-Pandemie. Doch es geht nicht nur um medizinische oder pharmazeutische Pannen: Behörden machen noch die gleichen Fehler wie vor knapp einem Jahr. Sie vertrauen auf die eigene Verantwortung der Bürger und auf Entscheidungen zum Wohle aller. Das ist in meinen Augen falsch.
Erinnern wir uns: Im Juni 2020 führten behördlich angeordnete Massentests bei der Schlachterei Tönnies zum Desaster. Von 6.139 untersuchten Personen waren 1.413 Arbeitnehmer und weitere 353 Menschen im Umfeld des Betriebs SARS-CoV-2-positiv. Ab in die Quarantäne, so die Ansage.
Dieser Meinung waren aber nicht alle Betroffenen. Einige Gastarbeiter aus Rumänien und Bulgarien sind stehenden Fußes in die Heimat geflüchtet. Vom Polizeiaufgebot und von Absperrgittern ließen sie sich nicht beeindrucken. Da kann im Infektionsschutzgesetz stehen, was mag.
April 2021; andere Zeiten, ähnliche Probleme: Auf Twitter schreibt eine Lehrerin: „Kollege von Schüler ist an Covid erkrankt. Erkrankter Kollege „is‘ so guter Bro“, dass er Schüler nicht als Kontaktperson beim GA gemeldet hat, weil „0 Bock auf Quarantäne!“ Schüler rennt fröhlich hustend durch die Gegend und hat Do + Fr Präsenzunterricht!“
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Und weiter: „Woher ich das weiß? Weil ein anderer Schüler dieser Klasse, der mit dem kranken Schüler zusammen in der Gruppe ist, mich kontaktiert hat, weil er Angst hat, dass der Andere so in die Schule kommt.“ Andere User spekulieren, ob das Ordnungsamt, das Gesundheitsamt oder gar die Polizei zu kontaktieren ist. Auch hier wird klar, wie falsch es läuft – und warum das Infektionsgeschehen weiter nach oben schnellt.
Kein Einzelfall, wie eine weitere Userin auf Twitter bestätigt: „Das erlebe ich im Kolleg: innen-Kreis auch, die Frage „Möchtest du als Kontaktperson angegeben werden oder lieber nicht?“ Andere teilen ihre Erfahrung: „Ohne Witz, als mein Mann und ich COVID hatten, kamen weit vor Genesungswünschen ein paar Nachrichten mit dem Inhalt: Gib mich nicht als Kontaktperson an! (…)“
Gesundheitsämter trifft in diesem Fall nicht die Schuld. Sie haben zu wenig Personal, keine Frage. Da würden auch mehr Angestellte das grundlegende Problem keineswegs lösen: Infizierte machen zum Teil falsche Angaben, wenn es um ihre Kontaktpersonen geht. Zaubern kann keine Behörde der Welt.
Unser grundlegendes Problem in Deutschland ist: Datenschutz steht über Gesundheitsschutz – die elektronische Gesundheitskarte gilt als bestes Beispiel. Sie hätte schon viele Leben retten können, doch Versicherte – aber auch Ärzte – haben das Projekt torpediert. Bei Corona ist das nicht anders. Spahns hochgelobte App ist eher ein Rohrkrepierer als eine Wunderwaffe.
Machen wir doch ein Gedankenexperiment, wie es funktionieren könnte. Wer sich auf der Straße aufhält, muss ein Smartphone mit einer Contact-Tracing-App dabeihaben. Abwegig? Nein, das hat China bereits im März 2020 mit seiner Health Code App gemacht. Nun mag China in vielerlei Hinsicht keine Vorbildfunktion haben. Doch das Prinzip funktionierte besser als Deutschlands umstrittene Corona-Warn-App – allein schon wegen der verpflichtenden Nutzung.
Zeigt die App Risikokontakte an, erhalten Personen aus öffentlichen Mitteln einen Bonus von 500 Euro, wenn sie sich in Quarantäne begeben. Der Nachweis, dass sich Personen in häusliche Isolation begeben, könnte teilweise durch Handydaten gelingen. Klar, auch hier gibt es Schlupflöcher. Doch so schnell würde keiner seinen Fuß mehr an den Arbeitsplatz oder in die Schule setzen. Und darauf kommt es an.
Das Ganze ist in Deutschland natürlich nur ziemlich schwer vorstellbar. Aber: Mich würde ja schon interessieren, ob sich die Disziplin in Sachen Quarantäne auf diese Weise plötzlich schlagartig ändert. Vermutlich ja. Denn Geld zieht immer!
Bildquelle: Park Troopers, unsplash