Es gibt zwei Wege, die Bürgertests abzurechnen: einen komplizierten und fehleranfälligen – und einen einfachen, schnellen Weg. Hätten wir das in unserer Praxis mal früher gewusst.
Seitdem wir im Team besprochen hatten, Testen und Impfen soll ein Schwerpunkt unserer Arbeit sein, haben wir viel getestet: In der Praxis, auch in Betrieben, später auf dem Parkdeck des Hauses. Sehr viel.
Erst Lehrertests, dann auch Bürgertests, Selbstzahlertests, Schnelltests, PCR-Tests, Reisetests, Selbsttests, Einreisetests, Tests für medizinsche Berufe, Tests für Baustellen und Betriebe, Tests für Erzieher, den Test für symptomatische und für asymptomatische, für die rote Warn-App.
Und ja, für jede Test-Art gibt es einen eigenen Schein (so nennen wir Kassenärzte einen Fall, den wir zur Abrechnung bringen. Früher gab es den echten Schein für die KV, jetzt gibt es den nur noch digital, aber Schein heißt der immer noch). Also es gibt einen MAGS-Schein, einen OGD-Schein, einen KV-Schein, jetzt auch für Privatpatienten, einen HZV-Schein und so weiter. Und auf jedem Schein gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, einen Fehler für die Abrechnung zu produzieren.
So hatten wir am 10. April kurz vor Abrechnungsende noch etwa 800 falsche Scheine zu bearbeiten. Und zudem hatten wir noch 1.100 mal bei den Bürgertests versehentlich „97122 (9 € PoC-Sachkosten)“ geschrieben statt „97122 (9,00 € PoC-Sachkosten)“. Damit wären uns beinahe 9,00 Euro bei 1.100 Bürgertests verloren gegangen. Gut, das hat einige zusätzliche Arbeitstage, Überstunden und vielleicht auch hier und da Frust von diversen Mitarbeitern des Teams gekostet, bis wir das korrigiert hatten, aber ok. Denn alles muss ja seine Ordnung haben. Und wir waren der KV echt dankbar, dass wir nur einen schriftlichen Antrag stellen mussten und wir die Abrechnung so ausnahmsweise noch 10 Tage verschieben konnten.
Ja, die zeitgleich startende Impfkampagne in der Praxis stresste auch, aber was sind schon glücklich blickende Menschen und weinende Angehörige einer 90 jährigen Pflegebedürftigen gegen die richtige Ziffer am richtigen Ort auf dem richtigen Schein. Und schon bald, also im Herbst, werden die Kosten für Arbeit und vorgestreckte Sachkosten vergütet. Nachdem wir also zufrieden die Abrechnung weggeschickt hatten, fiel mir die Schlange vor dem privaten Testzentrum gegenüber auf (bis vor kurzem noch ein Tattoo-Laden). Ein Kunde nach dem anderen trat ein, kurz darauf wieder hinaus, fuhr weg. Jedes Mal, kasching, kasching, klingelte die Kasse bei dem Anbieter. Das war noch mal eine ganz andere Frequenz als bei uns. Und überhaupt, wo kommen die ganzen Kunden her? Hm.
Und wie machen die das mit dem Wegfahren und warum wartet da keiner? Ich schickte einen Mitarbeiter – inkognito – dort vorbei. Der berichtete Erstaunliches: Es gibt im Internet eine Liste der Stadt, wo wir nicht draufstehen. Das ist jetzt schon mal nicht so toll, hätte uns mal jemand informieren können. Die Kunden können jedenfalls im Internet einen Termin für das Testzentrum buchen, dann dort erscheinen, kurz QR-Code einscannen, kurz Abstrich, weg, auf dem Handy dann eine E-Mail bekommen mit dem Dokument. Bei der Frequenz gegenüber schien mir das hochlukrativ.
Aber wie ist das eigentlich mit dem Datenschutz und vor allem, wie kann ein Tattoo-Studio sich mit den ganzen Scheinen und Ziffern auskennen? Denn, ehrlich gesagt, selbst ich bewege mich seit 11 Jahren Praxis noch nicht wirklich sicher auf diesem Parkett. Eine Nachfrage bei der KV ergab: Man braucht als privates Testzentrum gar nicht die personalisierten Daten mit Scheinen und Ziffern an die KV zu übermitteln. Die Testzentren übermitteln am Ende des Monats nur die Anzahl der durchgeführten Tests. Und bekommen schon eine Woche später die Vergütung überwiesen. Und ja, das könnten wir als Praxis auch so machen.
Als ich das abends meiner Frau erzählte, mussten wir wir lachen, wirklich herzlich lachen, zum ersten Mal seit langer Zeit. Wenn ich es mir so überlege, war es das erste Mal seit über einem Jahr. Wie viel Arbeit, wie viele Stunden unglaublich sinnloser, stupider, harter Arbeit haben wir da investiert. Es gibt zwei Wege, die Bürgertests abzurechnen: einen unglaublich komplizierten und fehleranfälligen – und einen einfachen, direkten und schnellen Weg.
Welcher Weg wird beschritten? Wir wären nicht KV-Ärzte, würden wir nicht klaglos den komplizierten gehen, vielleicht mit dem üblichen leise-vor-sich-hin Schimpfen. Kann Abrechnen wirklich so einfach sein? Ich komm irgendwie nicht drüber weg. Oder? Oder wäre das jetzt eine Lektion, die wir in die Zeit nach der Pandemie mitnehmen könnten? Einfach und unkompliziert abrechenen, zeitnah die Vergütung bekommen? Von den Testzentren lernen, heißt siegen lernen?
Wahrscheinlich würde sich das aber nicht richtig anfühlen. Viel harte und ehrliche Arbeit muss auch hart bei der Abrechnung mit viel ehrlicher Arbeit gefeiert werden. Und überhaupt: Wie sage ich das jetzt meinem Team?
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