Schimmelpilze stellen für immunsupprimierte Patienten ein großes Risiko dar. Sie wachsen schnell durch Organe hindurch, mitunter einige Zentimeter pro Tag. Mit einem einfachen Bluttest sollen sich solche Pilzinfektionen nun rascher als bisher nachweisen lassen.
Gesunden Menschen droht von Schimmelpilzen normalerweise keine große Gefahr, ihr Immunsystem hält die Eindringlinge fast immer problemlos in Schach. Bei Patienten dagegen, deren Immunsystem nach einer Organ- oder Knochenmarktransplantation unterdrückt wird oder durch eine Leukämie geschwächt ist, haben Schimmelpilze oftmals leichtes Spiel. Meist setzen diese sich in den Lungen der Betroffenen fest und beginnen dort in das Gewebe einzudringen. Schimmelpilze können dann rasch durch weitere Organe wachsen, mitunter einige Zentimeter pro Tag. Wenn die Infektion so weit fortgeschritten ist, haben immunsupprimierte Patienten kaum Chancen, zu überleben, ihre Sterblichkeit beträgt 50 bis 80 Prozent. Doch bislang ist eine frühe und gleichzeitig sichere Diagnostik nicht möglich und es verstreicht fast immer zu viel Zeit, bis die Patienten überhaupt eine zielgerichtete Behandlung mit Antimykotika erhalten. „Die Symptome einer Pilzinfektion sind sehr unspezifisch, deswegen ist das wichtigste Kriterium für eine Diagnose immer noch Fieber, das auch nach drei Tagen auf eine Therapie mit Antibiotika nicht angesprochen hat“, sagt Oliver Cornely, stellvertretender Leiter der Abteilung Infektiologie der Uniklinik Köln. „Zusätzlich erfolgt dann eine CT-Untersuchung, die weitere, meist jedoch auch nur schwer interpretierbare Indizien erbringt.“ Selbst eine Bronchoskopie, die aber nur bei einem Teil der Patienten durchführbar sei, liefere nicht immer ein eindeutiges Ergebnis, so der Mediziner.
Um diesem Dilemma zu entkommen, haben Cornely und Alexander Scheffold von der Berliner Charité nun eine neue Methode zur Detektion von invasiven Infektionen durch die Pilzarten Aspergillus und Mucorales entwickelt und im Rahmen einer klinischen Pilotstudie [Paywall] getestet. Wie die beiden Forscher und ihre Mitarbeiter im Fachmagazin American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine berichten, nutzen sie für das Verfahren körpereigene T-Zellen der betroffenen Patienten. „Wir weisen nicht wie herkömmliche Methoden die Pilze selbst nach, sondern die spezifische Immunreaktion gegen die Pilze“, erklärt Scheffold, Leiter der Arbeitsgruppe Zelluläre Immunologie an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie der Berliner Charité. „Bisherige Diagnosetests machen trotz positiven Befunds keine Aussage darüber, ob schon eine Konfrontation mit dem Immunsystem stattgefunden hat und wie weit eine mögliche Infektion fortgeschritten Ist.“ Für den neuen Test reicht eine einfache Blutprobe der Patienten. Diese Probe enthält eine Vielzahl von unterschiedlichen T-Zellen, die jeweils gegen ein anderes Antigen gerichtet sind. Einige wenige dieser T-Zellen können nach einer entsprechenden Infektion pilzspezifische Antigene erkennen. Um diese Immunzellen aufzuspüren, geben die Forscher die Blutprobe für die Dauer von rund fünf Stunden jeweils auf ein Gemisch aus verschiedenen Pilzproteinen von Aspergillus oder Mucorales. Nur die T-Zellen, die ein Pilzprotein erkennen, werden dabei aktiviert und präsentieren dann auf ihrer Oberfläche ein bestimmtes Molekül, das den Namen CD154 trägt. Mithilfe dieses Aktivierungsmoleküls können die Forscher die in der Blutprobe vorhandenen pilzspezifischen T-Zellen quantifizieren.
Die Anzahl der pilzspezifischen Immunzellen zeigt an, wie stark ein Patient von einer Pilzinfektion betroffen ist: „Bei gesunden Personen beträgt die Frequenz der pilzspezifischen T-Zellen rund 0,1 Prozent aller T-Zellen“, berichtet Scheffold. „Bei Patienten, bei denen eine Pilzinfektion schon vorher eindeutig gezeigt wurde oder diese aufgrund klinischer Faktoren sehr wahrscheinlich war, ging der Wert je nach Pilzart auf ein bis zwei Prozent hoch.“ Die hohe Spezifität der Immunzellen, so der Forscher, erlaube zudem eine klare Unterscheidung, von welchem Pilz eine Infektion hervorgerufen wird. An der Studie nahmen insgesamt 69 immunsupprimierte Patienten teil; den Forschern um Scheffold und Cornely gelang es, bei 59 Probanden die Häufigkeit der pilzspezifischen Abwehrzellen zu messen. Bei fünf Studienteilnehmern mit gesicherter Mucorales-Diagnose beobachteten die Forscher die Anzahl der pilzspezifischen T-Zellen über mehrere Wochen: „Sobald wir die Infektionsherde chirurgisch entfernten, sank im Blut dieser Patienten die Zahl der Abwehrzellen drastisch“, berichtet Cornely. „Der Test kann so dazu beitragen, dass sich die Überlebenschancen der betroffenen Patienten erheblich steigern.“
Ein wichtiges Argument für den neuen Test ist nach Ansicht der beiden Forscher auch die Kostenfrage. Eine Therapie mit den gängigen Antimykotika kostet pro Monat rund 10.000 Euro. „Wahrscheinlich leidet jedoch nur ein kleiner Teil der Patienten, die zurzeit diese Medikamenten oft wochenlang erhalten, tatsächlich an einer Pilzinfektion“, sagt Scheffold. „Mit einem sicheren und einfach zu handhabenden Bluttest würde sich die Zahl der mit Antimykotika zu behandelnden Patienten wohl deutlich reduzieren lassen.“ Momentan planen Scheffold und Cornely eine größere Studie an mehreren klinischen Zentren. Da aufgrund der relativ geringen Anzahl der immunsupprimierten Patienten kaum Interesse in der Pharmaindustrie besteht, eine solche Studie zu finanzieren, hoffen die Forscher auf Unterstützung von öffentlichen Geldgebern. „In zwei bis drei Jahren könnten dann die Ergebnisse vorliegen“, so Scheffold. Das Testverfahren ist aber nicht nur auf Pilze beschränkt, sondern prinzipiell für nahezu jedes Pathogen einsetzbar. Ein Grund, warum Scheffold und sein Team intensiv daran arbeiten, auch die Diagnostik von Autoimmunkrankheiten, Allergien sowie chronischen Darm- oder Lungenentzündungen zu verbessern. Originalpublikation: Fungus-specific CD4(+) T cells for rapid identification of invasive pulmonary mold infection [Paywall] P. Bacher et al.; Am J Respir Crit Care Med., doi: 10.1164/rccm.201407-1235LE; 2015