„Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten“: Dieser Satz wird aus der ärztlichen Berufsordnung gestrichen. Was der Deutsche Ärztetag mit großer Mehrheit beschlossen hat, erntet Beifall – und Kritik.
Der ärztlich assistierte Suizid steht nicht mehr unter Strafe. Der Deutsche Ärztetag hat das entsprechende Verbot jetzt aus der ärztlichen Musterberufsordnung gestrichen. Damit steht diese nun im Einklag mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, nach dem das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch die Freiheit mit einschließt, sich das Leben zu nehmen. Das gelte auch für Menschen, die nicht schwer erkrankt sind. Im vergangenen Jahr war § 217 des Strafgesetzbuches (Geschäftsmäßige Förderung der Sterbehilfe) für nichtig erklärt worden.
Die Entscheidung sei zwar mit einer deutlichen Mehrheit der delegierten Ärzte gefallen, aber es gibt auch Kritik. „Wie entscheiden wir genau diesen Zustand – eine selbstbestimmte, autonome Entscheidung, die dann zum Suizid führt, und eine Entscheidung, die durch Fremdeinflüsse, durch mangelnde […] psychische Nachsorge, durch Unterstützung zum Suizid führt? Damit wird sich der Bundestag befassen müssen“, so Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, gegenüber der Tagesschau.
Auch wird sich immer wieder auf die Grundsätze der ärztlichen Arbeit berufen, wie sie in der Berufsordnung direkt in § 1 definiert sind: „Aufgabe der Ärztinnen und Ärzte ist es, das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen“. Direkt danach heißt es aber auch, dass Sterbenden Beistand zu leisten sei. Dieser Aspekt wird in § 16 noch weiter verfeinert, hier findet sich auch der Part, der nun gestrichen wurde: „Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten“.
Nach aktuellem Stand müssen Ärzte das aber auch nicht: Eine individuelle Gewissensentscheidung soll berücksichtig werden und keine berufsrechtlichen Konsequenzen haben. Auch Einzelfallentscheidungen seien möglich – ein Arzt könne sich beispielsweise angesichts einer tödlich verlaufenden Erkrankung für Sterbehilfe entscheiden und in einem weniger gravierenden Fall dagegen. „Es kann aber niemals Aufgabe der Ärzteschaft sein, für Nichterkrankte (!) jenseits des Arzt-Patienten-Verhältnisses eine Indikation, Beratung oder gar Durchführung eines Sterbewunsches zu vollziehen“, halten die Delegierten in ihrem Abschlussbericht fest.
Tatsächlich ist die Entscheidung des Deutschen Ärztetages aber ein wichtiger Schritt in Richtung Patientenschutz. Denn solange ein generelles Verbot für ärztliche Sterbehilfe bestehe, leiste man indirekt auch rein kommerziellen Angeboten der Suizidhilfe Vorschub, lautete ein Argument des Bundesverfassungsgerichts. „Die Entscheidung zur Selbsttötung ist in ihrer Umsetzung nicht nur in tatsächlicher Hinsicht davon abhängig, dass Dritte bereit sind, Gelegenheit zur Selbsttötung zu gewähren, zu verschaffen oder zu vermitteln. Die Dritten müssen ihre Bereitschaft zur Suizidhilfe auch rechtlich umsetzen dürfen.“
Ein weiterer Schritt in diese Richtung dürfte mit der aktuellen Entscheidung des Deutschen Ärztetages getan sein. Über eine gesetzliche Neuregelung der Suizidassistenz wird derzeit im Bundestag beraten, es gibt zwei Gesetzesentwürfe. Ein erstes Fazit zum Thema findet sich ebenfalls im Beschlussprotokoll des Deutschen Ärztetags: „[D]er Wunsch zu sterben [kann] aus einer Vielzahl von einzeln zu gewichtenden Gründen erwachsen […], von denen Krankheit nur einer ist. Das vertrauensvolle und wertschätzende Gespräch über den Wunsch zu sterben oder das eigene Leben zu beenden gehört zum Kern ärztlicher Tätigkeit.“
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