Bereits im Kindesalter leiden Muskeldystrophie-Erkrankte an Muskeldegenerationen und sind frühzeitig auf einen Rollstuhl angewiesen. Eine gemeinsame Studie des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft und der Charité-Universitätsmedizin Berlin beschreibt nun erstmalig den vielversprechenden Ansatz eines präzisen Gene-Editings in menschlichen Muskelstammzellen, um autologe Zellersatztherapien dieser nicht behandelbaren genetischen Muskelerkrankungen zu entwickeln.
Die Forschungsgruppen untersuchten dafür eine Base-Editing basierte Methode, eine Variante des Gen-Editierungswerkzeugs CRISPR-Cas9. In ihrem im JCI Insight Journal erschienene Paper fokussierten sich die Wissenschaftler auf die Gliedergürtel-Muskeldystrophie 2D/R3, eine früh einsetzende, schwere und schnell fortschreitende Form der Muskeldystrophie, die gleichermaßen Mädchen und Jungen betrifft. Ihr zugrunde liegt eine Loss-of-function-Mutation im SGCA-Gen, welches für α-Sarkoglykan kodiert. Bei Patienten, die an Muskeldystrophie leiden, treten frühzeitig Muskeldegeneration und Schwund der Muskelfasern auf, der die Gliedmaßen, die Atemmuskulatur und das Herz betrifft. Oft sind sie dann bereits mit 15 Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen. Derzeit gibt es noch keine Therapie.
Für die Studie wurden menschliche Muskelstammzellen von zwei Spendern mit der gemeinsamen SGCA-Mutation isoliert. Mittels Adenin-Base-Editing wurden die Mutationen in den Zellen beider Spender mit >90% Effizienz korrigiert. Die baseneditierten Zellen injizierten die Forschenden in Mäusemuskeln, wo sie sich vermehrten und sich zu gesunden Muskelfasern entwickelten.
Basen-Tausch
Das Base-Editing ist eine neuere und hochentwickelte Variante des Gen-Editierungswerkzeugs CRISPR-Cas9. Während bei der "klassischen" Methode beide DNA-Stränge von einer molekularen Schere durchtrennt werden, schneiden die beim Base-Editing verwendeten Cas-Enzyme lediglich den Glukoserest einer bestimmten Base ab und hängen an die Zielstelle die gewünschte Base an. Unerwünschte Veränderungen sind dabei extrem selten.
Muskelzellen als autologes Transplantat
Bei der autologen Zelltherapie werden entnommene Stammzellen außerhalb des Körpers aufbereitet und dann wieder in den Muskel injiziert. Das Prinzip, mutierte Muskelzellen durch Injektion von genetisch stabilen, gesunden Muskel-Vorläuferzellen zu ersetzen, birgt Hoffnung. Betroffenen, die bereits an den Rollstuhl gefesselt sind, ermöglicht dieses Verfahren jedoch nicht wieder zu gehen. Laut Professor Simone Spuler, Leiterin des Myology Lab am Experimental and Clinical Research Center (ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft und der Charité – Universitätsmedizin Berlin, könne man keinen Muskel reparieren, der bereits verkümmert und durch Bindegewebe ersetzt ist. Auch die Zahl der Zellen, die in vitro bearbeitet werden kann, sei bisher begrenzt. Dennoch liefert die Studie den ersten Beweis, dass eine Therapieform sogar für eine Gruppe bisher unheilbarer Krankheiten möglich sein könnte. Beispielsweise kann die Methode zur Reparatur kleinerer Muskeldefekte eingesetzt werden. Deshalb beabsichtigen die Forschungsgruppen nach weiteren Tests, mit der Erprobung der Methode an menschlichen Erkrankten zu starten.
Vision in vivo Editing
Zukünftig wollen die Forschenden einen Weg finden, den Basen-Editor direkt in die Betroffenen Zellen zu injizieren. Einmal im Körper, würde er alle Muskelstammzellen editieren und sich dann wieder auflösen – das Ergebnis: gesunde Muskelzellen. Das Team will dazu schon bald erste Versuche in einem Mausmodell starten. Wenn auch das klappt, könnten dann Neugeborene auf entsprechende Genmutationen getestet werden und die heilende Therapie bereits zu einem Zeitpunkt eingeleitet werden, an dem vergleichsweise wenige Zellen editiert werden müssten.
Quelle: © H. Escobar et. al. / JCI Insight
Bild: © AG Spuler / ECRC