Die südafrikanische Corona-Variante ist in Deutschland bisher nicht stark verbreitet. Zum Glück: Neue Ergebnisse zeigen, dass die meisten Impfstoffe deutlich schlechter vor B.1.351 schützen.
Die zuerst in Südafrika aufgetretene SARS-CoV-2-Variante B.1.351 zeigt nicht nur eine erhöhte Übertragbarkeit, sondern fällt auch durch die beträchtlich verringerte Neutralisierung durch Rekonvaleszenten-Serum und Antikörper von Geimpften auf. Zwei neue Studien unterstreichen die bisherigen Ergebnisse und zeigen nur geringe Wirksamkeiten für die Vakzine von AstraZeneca und Novavax auf.
In der multizentrischen, doppelblinden, randomisierten und kontrollierten Studie von Madhi et al. wurde das Sicherheitsprofil und die Wirksamkeit des Vektorimpfstoffs ChAdOx1 von AstraZeneca bei 1.011 gesunden Personen in Südafrika untersucht. Die Kontrollgruppe bestand aus 1.010 Personen, die eine Kochsalzlösung verimpft bekamen. Mindestens 14 Tage nach Erhalt der zweiten Impfdosis wurden die Seren von 25 Personen auf neutralisierende Antikörper gegen den SARS-CoV-2 Wildtyp sowie die südafrikanische Variante B.1.351 untersucht, 13 davon waren am Ende auswertbar.
In die primäre Endpunktanalyse konnten 1.467 seronegative Probanden eingeschlossen werden (750 der Geimpften und 717 der Placebo-Geimpften). Hier entwickelten 23 der Placebo-Empfänger (3,2 %) und 19 der Impfstoffempfänger (2,5 %) leichtes bis mittelschweres COVID-19, was einer Wirksamkeit von 21,9 % entspricht. Unter den 42 Teilnehmern mit Covid-19 waren 39 Fälle (95,1 % von 41 mit Sequenzierungsdaten) durch B.1.351 verursacht. Die Wirksamkeit des Impfstoffs gegen diese Variante, die als sekundärer Endpunkt analysiert wurde, betrug demnach 10,4 %. Die Inzidenz von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen war zwischen der Impfstoff- und der Placebogruppe ausgeglichen.
Die Studie macht keine verwertbaren Angaben zu moderaten bis schweren COVID-19-Infektionen, allerdings wird eine Gesamtwirksamkeit über alle Schweregrade von 34 % angegeben, was im Einklang mit anderen Studien für eine höhere Effektivität bei schwereren Verläufen spricht. Passend zu der geringen Wirksamkeit bei leichten bis moderaten Verläufen sind die Immunogenitätsdaten: 6 der 13 auf neutralisierende Antikörper hin untersuchten Patienten zeigten keine Neutralisierung gegenüber einem Pseudovirus mit Dreifachmutante (K417N, E484K, N501Y), und 11 der 13 zeigten keine neutralisierende Aktivität gegen ein B.1.351-Pseudovirus.
In der zweiten Phase 2a-b-Studie von Shinde et al. wurden HIV-negative Erwachsene im Alter von 18 bis 84 Jahren sowie medizinisch stabile HIV-positive Teilnehmer im Alter von 18 bis 64 Jahren im Verhältnis 1:1 randomisiert, um entweder zwei Dosen des NVX-CoV2373-Impfstoffs von Novavax oder ein Placebo zu erhalten. Die primären Endpunkte waren die Sicherheit sowie die Wirksamkeit des Impfstoffs gegen bestätigte symptomatische COVID-19-Verläufe ab mindestens Tag 7 nach Erhalt der zweiten Impf-Dosis.
Etwa 30 % der Teilnehmer waren zu Studienbeginn seropositiv für SARS-CoV-2. Von den 2.684 seronegativen Teilnehmern (94 % HIV-negativ und 6 % HIV-positiv) zeigten 15 Personen der Impfstoffgruppe und 29 Personen der Placebogruppe eine überwiegend leichte bis mittelschwere COVID-19-Erkrankung. Daraus wurde eine Wirksamkeit von 49,4 % errechnet. Die Wirksamkeit bei den HIV-negativen Teilnehmern betrug 60,1 %. Unter den insgesamt 41 sequenzierten Proben wurde bei 38 (92,7 %) die Variante B.1.351 identifiziert. Die Wirksamkeit des Impfstoffs gegen B.1.351 betrug 51 % bei den HIV-negativen Teilnehmern. Schwere unerwünschte Ereignisse waren auch hier in beiden Gruppen selten.
Die beiden Studien unterscheiden sich hinsichtlich der eingeschlossenen Populationen sowie der Studiendesigns und Ergebnisdefinitionen voneinander, weshalb die Ergebnisse nicht direkt verglichen werden können.
In zwei weiteren Studien wurden hingegen bessere Wirksamkeiten gegen die in Südafrika vorherrschende Variante B.1.351erzielt. So zeigte Biontechs mRNA-Impfstoff BNT162b2 in einer Phase-III-Studie eine Wirksamkeit von 100 % gegen durch B.1.351 verursachte COVID-19-Erkrankungen, allerdings kamen nur 800 von über 40000 Studienteilnehmern aus Südafrika, entsprechend war nicht einmal 1 % der Infektionen in dieser Studie durch B.1.351 verursacht.
Etwas umfangreicher sind die Daten zum Vektorimpfstoff von Johnson und Johnson. Der zeigte in Einmaldosis in einer Phase-3-Studie bei 19.630 Personen in der Impfstoff-Gruppe eine Effektivität von 67 % im Vergleich zu Placebo bei moderaten bis schweren/kritischen Erkrankungen. Ein Fünftel der Studienteilnehmer kam aus Südafrika, und fast alle dort aufgetretenen Infektionen waren durch B.1.351 verursacht. Hier betrug die Effektivität 14 Tage nach Impfung in Bezug auf moderate bis schwere/kritische Infektion 52 %, nach 28 Tagen 64 %. Wurden nur schwere Infektionen betrachtet, waren es 73 % bzw. 82 %.
Was bedeuten diese Erkenntnisse nun für die Welt und ihr Vorgehen in der Corona-Pandemie? SARS-CoV-2 wird sich auch weiterhin im Menschen replizieren, es werden auch in Zukunft Mutationen sowie bedenkliche Varianten (VoC) auftreten – auch wenn dies durch Maßnahmen wie Impfungen und AHA-Regeln reduziert werden kann. Wirksame COVID-Medikamente wären eine wichtige Ergänzung zu den Impfstoffen, damit die Virusausscheidung und damit Ansteckungen, schwere Verläufe und die Entstehung neuer Mutationen eingeschränkt werden können.
Die Testung der Wirksamkeit von Impfstoffen gegen neue Varianten wird in Zukunft eine größere Herausforderung darstellen, da randomisierte klinische Studien wegen der zunehmenden Verfügbarkeit von Impfstoffen und entsprechend geringerer Inzidenzen langwieriger werden.
Eine umfassende und globale genomische Überwachung und Sequenzierung sollte weiterhin priorisiert werden, wie auch die Ärztin Kathleen M. Neuzil in einem kürzlich im New England Journal of Medicine veröffentlichten Editorial betont. Nur so kann die Entwicklung und Erprobung von Impfstoffen der zweiten Generation – einschließlich solcher, die auf spezifische Varianten, mehrere Stämme und andere Antigene als Spike-Proteine abzielen – gesichert werden.
Das Auftauchen von variantenreichen Stämmen ist wohl die größte Bedrohung für die Kontrolle der Pandemie. Ein koordinierter globaler Präventions- und Kontrollplan wird deshalb umso wichtiger. Eins scheint sicher: Globale Investitionen in die Impfstoff-Forschung und -Technologien müssen Hand in Hand mit Investitionen in die öffentliche Gesundheit, die Genom-Überwachung und die Impfprogramme einhergehen – nur so werden sich die Auswirkungen der Corona-Pandemie und auch zukünftigen Pandemien abmildern lassen können.
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