Der Astra-Impfstoff ist nun für alle freigegeben, doch Experten kritisieren den geplanten 4-Wochen-Impfabstand. Spahn kündigt die baldige Impfung von Jugendlichen mit Biontech an. Und für Geimpfte fallen gewisse Einschränkungen weg. Unser Impf-Update.
Es ist ganz schön viel passiert beim Impfen gegen COVID-19. Die wichtigsten Neuigkeiten fassen wir für euch in diesem Beitrag zusammen.
Gestern (Donnerstag) einigten sich Bund und Länder darauf, die Priorisierung für den den Corona-Impfstoff von Astrazeneca (Vaxzevria) vollständig aufzuheben. Das Vakzin ist ab sofort also bundesweit für alle Impfwilligen freigegeben. Diese Entscheidung bezieht sich auf das Impfen in Arztpraxen. „Die Ärzte entscheiden jetzt, wer wann mit dem Impfen dran ist. Sie entscheiden mit dem Impfling, ob der Impfstoff von AstraZeneca für den zu Impfenden der passende ist“, so der Bundesgesundheitsminister in einem Video-Statement.
„Wir haben bis jetzt auf ein möglichst langes Ausdehnen dieses Intervalls gesetzt aus einem Grund: Tatsächlich ist die nachgewiesene Wirksamkeit höher, desto länger das Intervall ist“, so Spahn weiter. Bisher galt eine Zwölf-Wochen-Frist. Da aber viele den kommenden Urlaub planen, soll der Zeitpunkt der Zweitimpfung flexibel gewählt werden können – zugelassen ist ein Mindestabstand von 4 Wochen. Das Thema schließt er ab mit dem Satz „[d]eswegen wollen wir auch das flexibel in die Hände der Ärztinnen und Ärzte und der zu Impfenden geben."
Inwiefern der Impfabstand sich auf den Impfschutz auswirkt, darüber sind sich Experten uneinig. Viele kritisieren die neue Regelung und beziehen sich auf Vorab-Daten, die nahelegen, dass ein größerer Impfabstand mit einem höheren Impfschutz einhergeht. „Studien haben klar gezeigt, dass die Effektivität bei einem Abstand von weniger als sechs Wochen nur 55 Prozent beträgt und erst bei einem Abstand von zwölf Wochen bei über 80 Prozent liegt! Das ist schon ein gewaltiger Unterschied“, meint etwa Prof. Dr. Carsten Watzl, Leiter des Forschungsbereichs Immunologie am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo). „Daher muss man den Menschen klar sagen: Wenn Sie Ihren Impfabstand bei AstraZeneca verkürzen, um damit schneller in den Genuss von Lockerungen zu kommen, machen Sie das auf Kosten ihres Immunschutzes!“
Prof. Anke Huckriede, Professorin für Vakzinologie am Institut für Medizinische Mikrobiologie an der Universität Groningen in den Niederlanden sieht die Verkürzung der Impfdauer nicht so kritisch. „Auf Basis der letzten, noch vorläufigen Daten einer Phase-III-Studie, die in den USA durchgeführt wurde, liegt bei einem vierwöchigen Intervall zwischen den Impfungen der Schutz gegen eine symptomatische Erkrankung bei 76 Prozent, bei Älteren sogar etwas höher. Das ist etwa gleich der Effektivität bei einem längeren Impfintervall.“ Auf Basis dieser gut ausgeführten Studie gebe es also laut Prof. Huckriede Hinweise dafür, dass es nicht nachteilig sein muss, das Intervall zu verkürzen. Die Daten seien allerdings seit März noch nicht publiziert worden.
Für Prof. Watzl ist die Verkürzung der Impfabstände auch für die Impfstrategie der falsche Schritt: „Damit bekommen weniger Personen einen frühen Immunschutz durch die erste Impfung. Und gerade jetzt müssen wir noch viele Personen mit Vorerkrankungen durch eine Impfung schützen, um die Folgen der dritten Welle abzumildern. Im Sommer haben wir genügend Zeit, uns um die Zweitimpfungen zu kümmern, die natürlich absolut notwendig sind. Dann sind hoffentlich die Inzidenzen wieder so niedrig, dass alle in den Genuss von Lockerungen kommen und nicht nur die 15 bis 20 Prozent, die wir jetzt mit einer Verkürzung des Impfabstandes schnell vollständig impfen würden.“
Gestern wurde eine weitere Publikation veröffentlicht, in der es um das Thromboserisiko nach einer Corona-Impfung mit dem Vakzin von AstraZeneca geht. Analysiert wurde das Krankenregister aus Dänemark und Norwegen, wo bis zum dortigen Impfstopp am 11. März insgesamt 282.572 Personen mit Vaxzevria geimpft wurden. In die Untersuchung flossen die Daten von 206.894 Personen im Alter von 18 bis 65 Jahren ein, bei denen mindestens 28 Tage seit der Impfung vergangen sind.
Seit Beginn der Impfungen sind 59 Personen wegen Thrombosen oder Embolien im Krankenhaus behandelt worden. Das sind 29 mehr als die 30 thromboembolischen Ereignisse, die normalerweise in dieser Altersgruppe zu erwarten gewesen wären. Die Autoren ermittelten eine standardisierte Morbiditätsrate (SMR) von 1,97, die signifikant war. Generell scheint das Risiko venöser Thromboembolien nach einer Impfung mit Vaxzevria erhöht zu sein. So lag bei Lungenembolien die SMR bei 1,79 mit zusätzlich 3,4/100.000 Ereignissen, bei tiefen Beinvenenthrombosen betrug die SMR 1,47 mit zusätzlich 2,6/100.000 Ereignissen.
Besonders hoch war die SMR jedoch mit 20,25 (8,14 bis 41,73) bei den zerebralen Venen- und Sinusthrombosen. Den 7 beobachteten Ereignissen standen nur 0,3 erwartete gegenüber. Die Zunahme entspricht 2,5 zusätzlichen Ereignissen auf 100.000 Geimpfte. Ein Anstieg der arteriellen Thrombosen war nicht erkennbar.
Die Autoren heben allerdings hervor, dass die absolute Gefahr nach einer Impfung eine venöse Thromboembolie zu erleiden, äußerst gering ist. Die Risiken seien nach ihrer Einschätzung deutlich geringer als die Vorteile der Impfung.
Vollständig Geimpfte und Genesene sollen von bestimmten Beschränkungen ausgenommen werden. Dies gilt ab 15 Tagen nach der Zweitimpfung bzw. dann, wenn eine überstandene Infektion nicht länger als 6 Monate zurückliegt.
Heute (Freitag) hat der Bundesrat einer entsprechenden Verordnung zugestimmt. Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen werden somit für Immunisierte aufgehoben. Für diese Gruppen entfällt sowohl die Testpflicht als auch die Quarantänepflicht nach Kontakt zu Infizierten. In Kraft tritt die Neuregelung schon an diesem Wochenende.
Auch mit der Impfung von Kindern im Schulalter soll es bald losgehen, wenn es nach Spahn geht. Derzeit entwickle man Impfkonzepte, um auch der Gruppe der 12- bis 18-Jährigen ein Impfangebot zu machen – bis Ende August solle das passieren, vorausgesetzt, die Zulassung komme wie erwartet im Juni. Denn bislang ist das Vakzin von Biontech nur für Menschen ab dem 16. Lebensjahr zugelassen. In den Kinderarztpraxen dürfte das Telefon seit dieser Nachricht nicht mehr stillstehen.
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