Ein 58-Jähriger wird nach einem Schlaganfall immer wieder bradykard bis hin zur Asystolie. Doch die Ärzte machen zufällig eine Beobachtung, die den entscheidenden Hinweis liefert.
Ein 58-jähriger Mann stellt sich in der Notaufnahme vor, nachdem er mit einem Taubheitsgefühl in der rechten Gesichtshälfte und im rechten Arm, einer Dysphonie, einer Dysarthrie und einer Dysphagie aufgewacht war. In der Anamnese lassen sich eine bekannte arterielle Hypertonie sowie die tägliche Einnahme von Aspirin 100 mg aus unklarer Indikation festhalten.
Bei der körperlichen Untersuchung liegt der systolische Blutdruck initial bei 223 mmHg, die Herzfrequenz bei 85 bpm und die Körpertemperatur bei 36,6 °C. Schnell schöpfen die Ärzte einen schwerwiegenden Verdacht, womit sie es zu tun haben könnten: mit einem Hirnstamminfarkt. Um dieser Vermutung auf den Grund zu gehen, ordnen sie umgehend eine MRT an. Diese zeigt eine akute linksseitige ischämische Läsion in der Medulla oblongata und im Kleinhirn.
Da sich der Patient bereits außerhalb des Zeitfensters für eine intravenöse Lysetherapie befindet, wird er auf die Stroke Unit verlegt. Die Laborwerte zeigen eine normale Nieren- und Leberfunktion, jedoch sind Gesamtcholesterin und LDL erhöht, weshalb der Patient zur Sekundärprophylaxe mit Statinen behandelt wird. Zudem wird eine antihypertensive Therapie mit Ramipril begonnen.
Etwa 12 Stunden vergehen, bis der Patient plötzlich über Schwindel und verschwommenes Sehen klagt. Die Ursache dafür ist schnell gefunden, denn die Telemetrieüberwachung zeigt eine Bradykardie von 30 bpm. Seltsamerweise lassen sich in der neurologischen Untersuchung jedoch keine neuen Defizite feststellen. Es dauert nur einige Minuten bis die Telemetrie plötzlich wieder eine Bradykardie und kurz später eine Asystolie über einen Zeitraum von 4 Sekunden anzeigt.
Doch diesmal ist den Ärzten, die die ganze Zeit über im Patientenzimmer standen, etwas verdächtiges aufgefallen: Der Patient hatte die rechte Seite seines Halses mit intensiven kreisenden Bewegungen massiert. Auf Nachfrage gibt er an, seit 2 Wochen unter Nackenschmerzen zu leiden, welche er mit dieser Selbstmassage lindern kann.
Doch diese Massage sollte nicht ohne Folgen bleiben: Denn wenige Minuten später entwickelt er ein leichtes sensomotorisches Hemisyndrom links. Eine Computertomographie (CT) zeigt keine neue Infarktabgrenzung, doch die CT-Angiographie offenbart Plaques sowie eine fibromuskuläre Dysplasie in der rechten Arteria carotis interna (ICA).
Die Duplexsonographie der Karotis zeigt eine Flussbeschleunigung von bis zu 187 cm/s, was auf eine etwa 40 %ige Stenose hinweist. Eine MRT am nächsten Tag zeigt schließlich einen rechtsseitigen Grenzzoneninfarkt.
Die Ärzte vermuten, dass die Massage in Kombination mit der Karotisstenose zu einer übermäßigen Stimulation der Pressorezeptoren des Karotissinus geführt hatte, infolgedessen es zur zerebralen Hypoperfusion kommen konnte. Angesichts des Risikos eines rezidivierenden Schlaganfalls erhält der Patient einen Karotis-Stent, sodass er mit einer leichten Dysphonie aufgrund des primären Hirnstamminfarkts entlassen werden kann.
Text- und Bildquelle: Lopez-Navarro et al. / Journal of Medical Case Reports
Bildquelle: Afif Kusuma, unsplash