Eine Analyse der bisher durchgeführten Verfahren im Rahmen des AMNOG unterstreicht die Stringenz der frühen Nutzenbewertung und die zusätzliche Transparenz bei der Beurteilung neuer Arzneimittel. Der Prozess müsse jedoch weiterentwickelt werden, so die DGHO.
Seit Anfang 2011 werden alle neu zugelassenen Arzneimittel in Deutschland einer frühen Nutzenbewertung nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) unterzogen. Gemeinsam mit Experten von 19 wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften sowie der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) hat die DGHO die Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung neuer Arzneimittel von 2011 bis 2014 analysiert.
Zuständig für die frühe Nutzenbewertung ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Das Ergebnis seiner Festlegung ist die Grundlage der Preisverhandlungen zwischen Krankenkassen und pharmazeutischen Unternehmen. Das Verfahren der Nutzenbewertung ist klar und mit engen Fristen strukturiert. Im Vergleich zur Nutzenbewertung auf europäischer Ebene bestehen in Deutschland einige Besonderheiten. Dazu Prof. Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der DGHO: „Das deutsche Verfahren ist im Unterschied zu den Verfahren in anderen europäischen Ländern eine frühe Zusatznutzenbewertung. Unmittelbar nach der Markteinführung wird der Wert eines neuen Arzneimittels im Vergleich zu einer vom G-BA festgelegten zweckmäßigen Vergleichstherapie evaluiert. Eine weitere Besonderheit ist die Bewertung von Subgruppen innerhalb der Zulassungsindikation.“
Die Zahl der Anträge auf frühe Nutzenbewertung ist in den letzten vier Jahren kontinuierlich angestiegen. Bis Ende 2014 wurden 98 Bewertungsverfahren mit 192 Subgruppen vollständig durchgeführt. In etwa 60 Prozent der Verfahren wurde kein Zusatznutzen festgestellt. Bei den positiv bewerteten Medikamenten zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den medizinischen Fachgebieten. Drei Viertel der mit „beträchtlicher Zusatznutzen“ bewerteten Arzneimittel stammen aus der Krebs- und der Infektionsforschung. Prof. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der AkdÄ, machte unter anderem auf das Problem einer fehlenden späten Nutzenbewertung aufmerksam: „Der in den letzten Jahren zu beobachtende Trend in der Arzneimittelentwicklung – etwa ein Viertel der jährlich neu zugelassenen Wirkstoffe sind für die Behandlung solider Tumore beziehungsweise hämatologischer Neoplasien vorgesehen, häufig als Orphan Drugs für seltene Erkrankungen und/oder nach beschleunigten Zulassungsverfahren – ist grundsätzlich zu begrüßen, da für unsere Patienten dadurch neue Therapieoptionen zur Verfügung stehen. Allerdings lässt sich zum Zeitpunkt der Markteinführung der therapeutische Stellenwert von neuen onkologischen Arzneimitteln häufig nur begrenzt bestimmen. Gründe hierfür sind vor allem die wiederholt beschriebenen Mängel in den für die Zulassung relevanten klinischen Studien, aber auch fehlende Erfahrung in der breiten Anwendung des neuen Arzneimittels im Versorgungsalltag, einschließlich einer fundierten Nutzen- und Schadenbewertung im Vergleich zu etablierten Therapien. Deshalb ist gerade in der Onkologie neben der frühen auch eine späte Nutzenbewertung – beispielsweise zwei bis drei Jahre nach Markteinführung – eine wichtige Voraussetzung für die Bewertung des Zusatznutzens und die sich daran orientierende Festlegung eines angemessenen Erstattungsbetrags beziehungsweise Preises.“
Prof. Thomas Berg, Leiter der Sektion Hepatologie an der Klinik für Gastroenterologie und Rheumatologie an der Universitätsklinikum Leipzig, betont zudem: „Es besteht die berechtigte Sorge der medizinischen Fachgesellschaften, dass therapeutische Innovationen aufgrund formaler Kriterien in der Methodologie der Zusatznutzenbewertung nicht ausreichend gewürdigt und berücksichtigt werden – dies ist die Schlussfolgerung unserer Erfahrungen zur frühen Nutzenbewertung für die neuen oralen direkt antiviral wirksamen Substanzen zur Behandlung der chronischen Hepatitis C. Sowohl eine bessere Abstimmung mit den Zulassungsbehörden erscheint notwendig als auch die Zusammenarbeit mit den medizinischen Fachgesellschaften und Patientenorganisationen bereits im Vorfeld der methodischen Bewertung, die nicht allein auf Grundlage des Dossiers des Pharmazeutischen Unternehmens erfolgen sollte. Zur Definition Patienten-relevanter Endpunkte und deren Gewichtung im Einzelnen benötigen wir einen Konsens als Grundlage für die Bewertung des Zusatznutzens.“
Die frühe Nutzenbewertung ist – nach jetziger Regelung durch das AMNOG – nicht Grundlage weitergehender Festlegungen beispielsweise zum Einsatz in Differenzial- und Sequenztherapie, sondern ausschließlich als Basis für die Verhandlung beziehungsweise Festlegung der Erstattungsbeträge konzipiert. Auf ihrer Pressekonferenz benannte die DGHO sowohl die aus ihrer Sicht bestehenden Stärken als auch die Schwächen des aktuellen Verfahrens. Stärken
Schwächen
Auch Prof. Mathias Freund, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO, machte deutlich, dass die Bedeutung der frühen Nutzenbewertung über das Ziel einer bloßen Kostenreduktion durch Senkung des Arzneimittelpreises hinausgehen müsse. „Wir plädieren für eine Weiterentwicklung des Verfahrens, sodass auch langfristig der Zusatznutzen eines neuen Arzneimittels möglichst präzise bestimmt wird, Innovationen unterstützt werden und ein angemessener Preis bestimmt werden kann.“ Darüber hinaus, so Freund, gelte es, den Prozess der Innovation zu fördern und die Qualität der Arzneimitteltherapie in Deutschland zu sichern. „Zentrales Ziel ist es“, so der Geschäftsführende Vorsitzende der DGHO, „die Sicherstellung des Zugangs neuer Arzneimittel für unserer Patientinnen und Patienten zu garantieren.“