Das Einsetzen von Paukenröhrchen bei Kindern mit rezidivierender Mittelohrentzündung ist unter HNO-Ärzten noch immer beliebt. Was bringt der Eingriff? Laut einer aktuellen Studie: wenig.
Der Nutzen von Paukenröhrchen ist umstritten. Bei Kindern mit wiederkehrender Otitis media und Paukenerguss werden sie trotzdem noch relativ häufig zur Belüftung des Tympanons eingesetzt. Eine randomisierte Studie von Wissenschaftlern der Universität Pittsburgh zeigt jetzt: Die Maßnahme bringt in den folgenden zwei Jahren keinen Vorteil – akute Mittelohrenentzündungen können ebenso gut episodisch mit oralen Antibiotika behandelt werden. Die entsprechenden Studienergebnisse wurden kürzlich im New England Journal of Medicine veröffentlicht.
Für die Studie wurden 250 Kinder im Alter von 6 bis 35 Monaten rekrutiert. Sie mussten mindestens drei Otitis media Episoden in den vergangenen 6 Monaten oder mindestens vier in den vergangenen 12 Monaten gehabt haben, im letzteren Fall wenigstens eine davon in den vergangenen 6 Monaten. Die Kinder wurden in drei Altersgruppen gruppiert (6 bis 11 Monate, 12 bis 23 Monate und 24 bis 35 Monate) und nach dem Zufallsprinzip einer der zwei Behandlungsgruppen zugeordnet.
Die Kinder in der einen Gruppe erhielten in einem kleinen chirurgischen Eingriff ein Paukenröhrchen. Trat bei diesen Kindern Otitis media-Symptomatik auf, wurden Ofloxacin-Ohrentropfen zweimal täglich über 10 Tage appliziert. Trat nach 7 Tagen lokaler Behandlung weiterhin Otorrhoe auf, wurde auf Amoxicillin/Clavulansäure oral gewechselt. In der Vergleichsgruppe wurde bei auftretenden Otitis media Episoden mit Amoxicillin/Clavulansäure und/oder Ceftriaxon oral gemäß US-Leitlinien therapiert.
Ergebnis der Studie: Während eines Zeitraums von 2 Jahren war die Rate an akuten Mittelohrentzündung bei Einsatz eines Paukenröhrchens nicht signifikant niedriger als bei konservativer Behandlung (Raten i.d. Hauptanalyse: 1,48 ± 0,08 in der OP-Gruppe und 1,56 ± 0,08 in der konservativ behandelten Gruppe pro Kindjahr). Dieser Unterschied hielt auch bzw. wurde sogar größer, wenn Cross-over-Kinder berücksichtigt wurden: 10 % der Kinder in der Tympanostomie-Gruppe erhielten letztlich kein Paukenröhrchen, und bei 16 % der Kinder in der Antibiotika-Gruppe wurde auf Bitten der Eltern am Ende doch ein Paukenröhrchen eingesetzt.
Neben der Häufigkeit konnten auch in Bezug auf die Schwere der Infektionen kaum Unterschiede festgestellt werden – der Prozentsatz der als schwerwiegend eingestuften Erkrankungen war vergleichbar. Die Studie zeigte außerdem und wenig überraschend, dass die Rate der Mittelohrentzündungen in beiden Gruppen mit zunehmenden Alter abnahm. Kinder unter einem Jahr hatten eine 2,6-mal höhere Infektionsrate als zwei- bis dreijährige Kinder.
Früher hätten Kinderärzte häufig Röhrchen empfohlen, um die Rate der Ohrinfektionen zu reduzieren, „aber in unserer Studie funktionierte die episodische Behandlung mit Antibiotika bei den meisten Kindern genauso gut“, sagt Erstautor Dr. Alejandro Hoberman. Er ist Direktor der Abteilung für Pädiatrie am UPMC Kinderkrankenhaus in Pittsburgh.
Hoberman bezieht auch Stellung zu einem Punkt, der oft als Vorteil von Paukenröhrchen genannt wird: die Verwendung antibiotikahaltiger Ohrentropfen anstelle von systemischen oralen Antibiotika. So soll verhindert werden, dass sich bakterielle Resistenzen entwickeln. Aber in dieser Studie sei keine erhöhte Resistenz bei oraler Antibiotikaverwendung gefunden worden, so Hoberman. Ein kurzfristiger Vorteil der Paukenröhrchen konnte aber gezeigt werden: Die Kinder aus der OP-Gruppe blieben durchschnittlich etwa zwei Monate länger von akuten Mittelohrentzündungen verschont.
Für Hoberman überwiegen bei dem Eingriff insgesamt die möglichen Gefahren gegenüber dem Nutzen: „Ein kleines Kind den Risiken von Anästhesie und Operation, der möglichen Entwicklung struktureller Veränderungen des Trommelfells, der Verstopfung des Röhrchens […] bei wiederkehrenden Ohrinfektionen auszusetzen, die normalerweise mit zunehmendem Alter des Kindes seltener auftreten, ist nichts, was ich in den meisten Fällen empfehlen würde“.
In einem die Publikation im New England Journal begleitenden Editorial kommentiert Ellen Wald von der University of Wisconsin School of Medicine die Studienergebnisse ähnlich. Sie weist darauf hin, dass Eltern von Kindern mit rezidivierenden Otitiden dahingehend beruhigt werden könnten, dass bei fortgesetztem, episodischem Management das Risiko einer Resistenzentwicklung nicht höher ist als bei operativem Vorgehen.
Insbesondere bei Kindern ab dem dritten Lebensjahr könne den Eltern mit relativ hoher Treffsicherheit versichert werden, dass die Otitis media-Frequenz bald abnehmen werde. Bei den jüngeren Kindern unter zwei Jahren sieht Wald die Sache etwas differenzierter. Hier könne eine Tympanostomie weiterhin erwogen werden, sofern die Eltern dabei mitgehen bzw. das wünschten.
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