Geimpfte und COVID-19-Genesene profitieren durch die neuen Lockerungen und Sonderregelungen. Doch wie lange hält der Impfschutz? Darauf geben jetzt Studien erste Hinweise.
Auch vollständig und einfach geimpfte Personen können sich mit SARS-CoV-2 infizieren. Insbesondere die Mutationen des Virus können den Schutz einer induzierten Immunantwort verringern. Über die entsprechende Dauer dieses Schutzes wurde bisher nicht viel berichtet. Eine neue Studie befasste sich mit den Auswirkungen der Varianten B.1.1.7, B.1.351, P.1, B.1.149 und B.1.526 auf die durch den mRNA-Impstoff (Biontech/Pfizer) ausgelöste Immunantwort.
Forscher aus den USA untersuchten zur Klärung dieser Fragestellung die Seren von 24 Probanden zwischen 18 und 71+ Jahren. Dazu verimpften sie zwei 100 µg Dosen des mRNA-Impfstoffs. Die Probanden standen dann 7 Monate nach Erhalt der Erstdosis unter Beobachtung. Die Seren der Probanden wurden dafür 29, 43 und 209 Tage nach Erstdosis mithilfe von Neutralisations-Assays und Messungen der Antikörperbindung an das Spike-Protein getestet.
An Tag 29, vor Erhalt der Zweitdosis, neutralisierten 83 % der Seren die D614G Mutation, 33 % die B.1.1.7-Variante und lediglich 8 % die Mutante B.1.351 im Pseudovirus-Neutralisationstest. Nach Erhalt der Zweitdosis neutralisierten alle Probanden die 5 Varianten, jedoch verringerte sich die Kreuzreaktivität im Laufe der Zeit. An Tag 209 neutralisierten alle getesteten Seren die Variante B.1.429. Nur 96 %, 88 % und 85 % neutralisierten B.1.1.7, B.1526 und P.1 und lediglich 54 % der Seren B.1.351. Nach 209 Tagen konnte zusätzlich im Neutralisations-Assay eine Neutralisierung von 88 % gegen die britische Variante und von 58 % gegen die südafrikanische Variante erfasst werden.
Ähnliche Trends wurden auch in der Titeränderung erfasst. So nahm der Titer im Vergleich zur D614G-Mutante bei der südafrikanischen Variante um das 7-10-fache ab, wobei die geringste Abnahme an Tag 209 gemessen wurde. Die anderen Varianten zeigten im Assay lediglich eine Abnahme um etwa das 2-fache. Die P.1-Variante zeigte ebenfalls eine erhöhte Abnahme um das 2,8- und 3,8-fache.
Im Vergleich dazu variierte die Fähigkeit der Seren, die Bindung von SARS-CoV-2-Spike an ACE2 zu verhindern. Die stärkste Abnahme zeigte sich in Kontrast zu WA1 an Tag 43, wobei sie bei B.1.351 um das 28-fache sank und bei B.1.1.7 um das 6,4-fache. Ähnliche Trends wurden auch in den Antikörperbindungstests erfasst, wobei die relativen Unterschiede der Varianten nicht so stark ausgeprägt waren.
In der Studie wurde somit gezeigt, dass die Mutation in der Linie B.1.1.7 nur minimale Auswirkungen auf die Antikörperbindung, ACE2-Blockierung und Neutralisation hatte. Hingegen zeichnete sich B.1.351 durch einen höheren Einfluss auf die Funktion der Impfung in den 7 Monaten aus. Zusätzlich war die Wirkung einer Einzeldosis ebenfalls sehr begrenzt, weshalb die Wichtigkeit einer Booster-Impfung nach den 29 Tagen nochmals betont wurde. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass in den Altersgruppen 18-55, 55-70 und 71+ keine merklich signifikanten Unterschiede in den Untersuchungen auftraten. Dies unterstütze die Verwendung des Impfstoffs auch in den älteren Gruppen. Deutlich wurde außerdem, dass die neutralisierende Antikörperaktivität gegen alle Varianten auch 6 Monate nach der Zweitdosis bestehen blieb.
Eine weitere dynamische Studie aus Chile und den USA befasste sich mit den neutralisierenden Antikörpern in Patienten mit schweren bis milden SARS-CoV-2-Infektionen. Gezeigt wurde, dass in den 74 infizierten Patienten der Antikörpertiter 23 und 27 Tage nach Auftreten der Symptome am höchsten war. Zwar war der Antikörpertiter bei stationär behandelten Patienten höher, jedoch hielt die Reaktion nach einer natürlichen Infektion bei allen Patienten bis zu 12 Monate an, wenn auch der Titer im Laufe der Zeit abnahm.
Die Immunantwort wurde bei 27 der SARS-CoV-2-seropositiven Probanden durch die Impfung mit zwei Dosen von CoronaVac (Sinovac) oder BNT162b2 (Biontech/Pfizer) 4,2 bis 13,3 Monate nach Auftreten der Infektion geboostert. Die Immunisierung von seronegativen Probanden führte zu ähnlichen Antikörpertitern wie in den geimpften seropositiven Patienten. Dies lege nahe, dass sowohl seropositive als auch naive Personen zwei Dosen CoronaVac benötigen, um die Induktion des robusten neutralisierenden Antikörpertiters sicherzustellen.
Der mRNA-Impfstoff zeigte hingegen bei der ersten Dosis schon einen signifikanten Anstieg des Titers in seropositiven Patienten. Die Ergebnisse unterstreichen somit die Wichtigkeit einer zusätzlichen Immunisierung bei Personen, die zuvor mit SARS-CoV-2 infziert wurden, da es keine signifikanten Unterschiede im Titer nach der Impfung zwischen den Seronegativen und -positiven gab.
Um genauere Aussagen über den dynamischen Verlauf der Immunisierung nach Erhalt der Impfung zu treffen, müssen mehr Studien erfolgen. Die Probandengröße in beiden Studien war recht gering und die Ergebnisse deskriptiv. Zudem erfolgen die Neutralisierung-Assays mit denen auch der Antikörper-Titer bestimmt wurde oft mit unterschiedlichen Standards und haben eine dementsprechend variierende Aussagekraft. Weitere unabhängige Studien müssen Erfolgen, um diese ersten Hinweise zu bestätigen.
Auch könnte der Untersuchungszeitraum nach Erhalt der Impfung verlängert werden, um einzuschätzen, wann die Patienten nicht mehr geschützt sind. „Und mit etwas Glück könnte dies in Jahren sein“, so die Wissenschaftsjournalistin Laurie Garett. Die Ergebnisse zeigen dennoch, wie wichtig die Impfungen sind, auch bei zuvor SARS-CoV-2-Infizierten. Sie sollten insbesondere in Bezug auf Lockerungen in Betracht gezogen werden.
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