Die erste Beziehung, die ein junger Mensch eingeht, erhöht zwar klar dessen Lebenszufriedenheit, verändert seine Persönlichkeit aber nur wenig. Nur die „Spätzünder“, die im Alter von 23 und 25 Jahren ihre erste Partnerschaft eingingen, sind extrovertierter als gleichaltrige Singles.
Bisher vermutete man, dass junge Menschen ihre Persönlichkeit maßgeblich weiterentwickeln, wenn sie neue Rollen, zum Beispiel in einer Partnerschaft, übernehmen. „Problematisch ist aber, dass bisher zu wenig berücksichtigt wurde, ob sich Personen, die frühzeitig eine Partnerschaft eingehen, vielleicht schon von vornherein von denjenigen unterscheiden, die sich erst später binden“, erklärt Jenny Wagner, Psychologin und Hauptautorin der Studie. Es wurde untersucht wie sich die Erfahrung der ersten festen Partnerschaft auf die Persönlichkeitsentwicklung und das Wohlbefinden auswirkt. Die Forscher verwendeten Daten der mehrjährigen TOSCA-Studie (Transformation des Sekundarschulsystems und akademische Karrieren) der Universität Tübingen. Zum ersten Messzeitpunkt 2004 waren die 312 Befragten 21 Jahre alt und knapp 20% hatten noch keine Beziehungserfahrung. Diese Personen wurden im Zwei-Jahresabstand wieder per Fragebogen befragt. Es ergaben sich drei Gruppen: Solche Personen, die über den gesamten Zeitraum Singles blieben, solche, die nach zwei Jahren (im Alter zwischen 21 und 23 Jahren) Beziehungserfahrung aufwiesen und solche, die nach vier Jahren (also im Alter zwischen 23 und 25 Jahren) in einer Beziehung waren. Hierbei wurden immer „Zwillinge“ verglichen, das heißt Personen, die sich in wichtigen Bereichen (Persönlichkeit, Selbstwertgefühl, psychische Stabilität, Lebenszufriedenheit) maximal ähnlich waren, noch bevor einer von beiden die erste Beziehung einging. Die Befragten machten jedes Mal Angaben zu ihren Persönlichkeitseigenschaften, zu ihrem Selbstbewusstsein, ihrer Lebenszufriedenheit und ihrer Neigung zu Depression.
Die Ergebnisse zeigen, dass junge Erwachsene, die ihre erste feste Beziehung eingehen, zufriedener mit ihrem Leben sind als Singles. Dies gilt sowohl für Personen, die im Alter von 21 bis 23 Jahren erstmals einen festen Partner haben, als auch auf für diejenigen, die später im Alter von 23 bis 25 erstmals in einer Beziehung sind. Die Studienteilnehmer, die im Alter von 21 bis 23 Jahren ihre erste Beziehung hatten, unterschieden sich in ihrer Persönlichkeit nicht von den Singles. Nur die „Spätzünder“, das heißt diejenigen, die erst zwischen 23 und 25 Jahren die erste Partnerschaft eingingen, waren im Vergleich zu gleichaltrigen Singles sozialer, sowie gewissenhafter, emotional stabiler und weniger anfällig für Depression. „Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass man mit Mitte 20 eher den Anspruch hat, eine ernsthafte Beziehung einzugehen, als mit Anfang 20“, erklärt Jenny Wagner, „und die erste Beziehung dadurch die Persönlichkeit mehr beeinflusst.“
Es ist aber nicht nur so, dass Beziehungserfahrung die Persönlichkeit – bei „Spätzündern“ – verändern kann. Umgekehrt beeinflusst auch die Persönlichkeit, insbesondere emotionale Stabilität und Extraversion, ob jemand eine Partnerschaft eingeht. „Das deckt sich mit Ergebnissen aus der Glücksforschung“, ergänzt die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Prof. Andrea Abele-Brehm. „Dort fand man, dass einerseits soziale Beziehungen glücklich machen, andererseits ausgeglichene und in sich stabile Personen auch größere Chancen haben, soziale Beziehungen einzugehen.“ Originalpublikation: The first partnership experience and personality development: Assessing the causal effect of (starting a) first partnership in young adulthood Jenny Wagner et al.; Social Psychological and Personality Science, doi: 10.1177/1948550614566092; 2015