Offene Wunden verschließt der Körper zügig – doch dadurch entstehen häufig Narben. Diesen Prozess konnten Forscher nun manipulieren. Heraus kam normale Haut mit Haaren und Drüsen.
Schon während seiner Zeit als Postdoc, in einer Rotationsstelle in der Chirurgie, fragte sich der Arzt Michael Longaker, warum Menschen Narben bilden. Ihm fiel auf, dass die Operationswunden von Neugeborenen – im Vergleich zu Kindern und Erwachsenen – ohne Bildung von Narbengewebe abheilten. „Diese Frage beschäftigte mich ein Jahr lang, daraus wurden vier Jahre, daraus wurden schließlich Jahrzehnte“, wird Longaker in einem Artikel zitiert. „Seitdem hat sich meine Forschung auf viele andere Bereiche ausgeweitet, aber der Versuch, die Narbenbildung zu verstehen, war immer ein aktives Interessengebiet.“
Narben bilden sich, weil so eine Verletzung der Haut schneller verschlossen werden soll, als normale Haut wachsen könnte, so erklärt es Longaker. „Wenn Wunden sich nur langsam schließen würden, könnte man eine Infektion bekommen oder gar verbluten. Eine Narbe ist quasi ein Schweißpunkt – sie deckt die Wunde schnell ab, aber sie beeinträchtigt Form und Funktion.“ Je nachdem, wo sich eine Narbe bildet, können Menschen dann vielleicht nicht mehr ihre Ellenbogen beugen, ihre Augen schließen oder ihren Mund öffnen.
Hautwunden heilen im Allgemeinen durch Narbenbildung, einen fibrotischen Prozess, der durch die Engrailed-1 (En1) Fibroblasten vermittelt wird. Narben unterscheiden sich von unverletzter Haut in dreierlei Hinsicht:
Eine erfolgreiche Narbenbehandlung würde diese drei Unterschiede adressieren, indem sie das Nachwachsen der Hautanhangsgebilde, die Wiederherstellung der normalen Matrix-Struktur und die Wiederherstellung der mechanischen Robustheit fördert. Es ist jedoch bisher wenig über die zellulären und molekularen Mechanismen bekannt, die eine regenerative Heilungsreaktion in der Haut blockieren, oder darüber, ob diese Mechanismen durch die Modulation bestimmter Fibroblasten umgangen werden könnten.
Die Wissenschaftler konnten beobachteten, dass die Spannung während der Hautreparatur eine entscheidende Rolle bei der Narbenbildung spielte. Sie konnten zeigen, dass eine Narbenbildung reduziert werden kann, wenn man den Zug an den Wundrändern verringert. Aber warum führt die Spannung der Haut während der Heilung zu einer Narbenbildung?
Longaker und Gurtner konzentrierten sich bei der Suche nach der Ursache auf ein Gen namens „engrailed“. Dieses Gen sorgt für die Bildung eines Proteins, das manchmal in Fibroblasten vorkommt. In einer Reihe von Maus-Experimenten wiesen sie nach, dass eine Subpopulation von Fibroblasten in der Haut, die dieses Gen normalerweise nicht exprimieren, es während der Narbenbildung taten.
Als nächstes untersuchten sie die Rolle, die mechanischer Stress beim Einschalten des engrailed-Gens spielen könnte. Zellen können mechanischen Stress durch wohldefinierte Mechanismen wahrnehmen, doch es gibt Möglichkeiten, ihre Fähigkeit, dies zu tun, zu blockieren.
Die Forscher nahmen Mäusefibroblasten, die das engrailed-Gen nicht exprimierten, und züchteten sie im Labor in drei verschiedenen Umgebungen: in einem weichen Gel, das keine mechanische Belastung in den wachsenden Fibroblasten erzeugte, auf einer steifen Kunststoffschale, die mechanische Belastung erzeugte, und auf demselben belastungsinduzierenden Kunststoff, aber in Gegenwart einer Chemikalie, die die Signalübertragung durch mechanische Belastung blockierte.
Sie fanden heraus, dass die Fibroblasten, die auf dem spannungsfreien Gel wuchsen, nicht anfingen, engrailed zu exprimieren, aber dass die Fibroblasten, die auf dem spannungsinduzierenden Kunststoff wuchsen, dies taten. Wenn sie eine Chemikalie hinzufügten, die die mechanische Belastungssignalisierung blockierte, exprimierten die auf dem Kunststoff gewachsenen Zellen kein engrailed.
Die Wissenschaftler probierten es schließlich mit einem Medikament, Verteporfin, welches sonst zur photodynamischen Therapie der altersbezogenen Makuladegeneration (AMD) zugelassen ist. Sie legten bei Mäusen unter Narkose Operationswunden an und übten eine mechanische Belastung auf die heilende Wunde aus, während sie gleichzeitig Verteporfin auf die Wunde aufbrachten.
Die Ergebnisse waren verblüffend, so Longaker. Die verheilte Haut sah völlig normal aus. „Es muss drei Dinge geben, damit die Wundheilung eine echte Hautregeneration ist“, erklärt er. „Die Haut muss normale Haarfollikel und Drüsen haben, sie muss ein normales Aussehen unter dem Mikroskop haben und sie muss genauso stark sein wie normale Haut.“
„Das erste, was uns überraschte, waren die vielen Haare in der geheilten Wunde“, sagte er. „Wir waren auch in der Lage, normale Drüsen zu sehen, und es zeigte sich, dass die Haut genauso stark war wie die unverletzte Haut.“ PhD-Student und Arzt Shamik Mascharak entwickelte daraufhin einen Algorithmus mit künstlicher Intelligenz, der mikroskopische Bilder der Haut vergleicht, um subtile Unterschiede zu finden, die das menschliche Auge nicht erkennen kann. Der Algorithmus hatte keine Unterschiede zwischen normaler Haut und mit Hilfe von Verteporfin regenerierter Haut finden können, so Letztautor Michael Longaker.
Die Forscher freuen sich: „Diese Ergebnisse sind aufregend, weil wir gezeigt haben, dass wir in der Lage sind, einzugreifen und die Fibroblasten davon abzuhalten, bei der Heilung einer Hautwunde mechanische Kraft zu registrieren“, erklärt Senior-Autor Geoffrey Gurtner. „Jetzt müssen wir nur schauen, ob der gleiche Ansatz auch bei der Verhinderung anderer Arten von Narbenbildung funktioniert.“ Es sei möglich, dass viele andere medizinische Leiden, wie Leberfibrose, Verbrennungen, abdominale Adhäsionen, Sklerodermie und Narbenbildung im Herzgewebe nach einem Herzinfarkt, mit dem gleichen Ansatz behandelt werden könnten, erklärt er.
„Es wird geschätzt, dass 45 % der Amerikaner an einer Krankheit sterben, die in irgendeiner Form mit Narbenbildung einhergeht“, so Longaker. „Also gibt es potenziell viele weitere Anwendungen.“ Die nächste Stufe wird die präklinische Arbeit im Modell mit anderen Tieren sein. Wenn die Ergebnisse gut sind, könnte eine klinische Studie folgen, so die Forscher.
Zur Studie von Shamik Mascharak et al. kommt ihr hier.
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