Makrozyklische Peptide können als neuartige Arzneimittel Aufschluss darüber geben, wie Antibiotika an der Zellmembran abgeblockt und transportiert werden. Wie das geschieht, seht ihr hier.
Ob Bakterien gegen Antibiotika resistent sind, entscheidet sich oft an ihrer Zellmembran. Dort können Antibiotika auf dem Weg ins Zellinnere blockiert oder von innen nach außen katapultiert werden. Makrozyklische Peptide, eine neuartige Klasse von Antibiotika, bioaktiver Zellgifte und Hemmstoffe, geben Aufschluss darüber, wie dieser Transportprozess an der Membran verläuft, wie er beeinflusst wird und wie er genutzt werden kann, um die Resistenz einer bösartig transformierten Zelle zu umgehen.
Es gibt zurzeit nur wenige synthetische Wirkstoffe, die an die weit verbreiteten Membrantransportproteine, den ATP-Bindungskassettentransportern (ABC), binden und diese blockieren. Vier dieser makrozyklischen Peptide haben Wissenschaftler der Goethe-Universität und der Universität Tokyo als Modelle für eine neuartige Generation von Wirkstoffen identifiziert.
Dank Deep Sequencing, einem extrem schnellen und effizienten Ausleseverfahren, konnten die gewünschten makrozyklischen Peptide aus einer Billionen Varianten umfassenden Bibliothek makrozyklischer Peptide herausgefiltert werden – diese Zahl übersteigt die Anzahl an Sternen in der Milchstraße. Dass überhaupt eine solch enorme Anzahl vorliegt, hängt mit einem neuartigen Verfahren zusammen: Durch Reprogrammierung des genetischen Codes können Aminosäuren gezielt als Wirkstoffbauteile verwendet werden, die sonst in der Zelle nicht genutzt werden.
Vor allem durch ihre kreisförmige, geschlossene Struktur unterscheiden sie sich von natürlichen Proteinen. „Weil diese Therapeutika zyklisch sind, werden sie in der Zelle weniger schnell abgebaut“, erklärt Robert Tampé, Direktor des Instituts für Biochemie an der Goethe-Universität. „Außerdem sind die ringförmigen Wirkstoffe in ihrer Raumstruktur eingeschränkt, sie binden deshalb ohne große Umlagerungen an das Zielmolekül.“
Ein drittes Unterscheidungsmerkmal macht die makrozyklischen Peptide ganz besonders attraktiv für die WissenschaftlerInnen: Bei der Herstellung der Wirkstoffe wird ihre Bauanleitung als Barcode mitgeliefert. Sucht man in einer Anzahl von Billionen synthetisch erzeugter Therapeutika bestimmte heraus, führen sie ihr Namensetikett gleichsam mit sich.
Welche Rolle spielen nun die synthetischen Therapeutika für die Antibiotikaresistenz in Bakterien oder die Multidrogenresistenz von Tumorzellen? Was geschieht, wenn sie auf das ATP-getriebene Transportmolekül treffen, das für die Resistenz verantwortlich ist, indem es die Chemotherapeutika aus der Zelle befördert?
Kurz zusammengefasst: Die Wirkstoffe blockieren den Transporter, indem sie an ihn binden. Dies kann am Anfang oder am Ende eines Transportprozesses geschehen, wenn sich der Transporter im Ruhzustand befindet. Da die WissenschaftlerInnen den Transportprozess aber verlangsamen können, so dass er wie in Zeitlupe abläuft, können die Wirkstoffe identifiziert werden, die mitten im Transportprozess einsteigen und das Membranprotein in seiner jeweiligen Position festhalten. So erhalten die ForscherInnen einen Einblick in die Choreographie des Transportprozesses wie durch die Bilder eines Filmstreifens.
Diese Einblicke haben in der Wissenschaft bereits zu einem „Paradigmenwechsel“ geführt, wie Tampé erklärt: „Bislang sind wir davon ausgegangen, dass die ATP-Hydrolyse die Energie für den Transport durch die Membran liefert. Dies ist aber nur indirekt der Fall. Es ist das Ereignis der Bindung des ATP-Moleküls, das Substanzen aus der Zelle stößt. Die Energie der Hydrolyse wird dagegen dafür eingesetzt, den ABC-Transporter wieder in seinen Ausgangszustand zu versetzen.“
Diese und andere Einblicke in das Membrangeschehen, so die Überzeugung der Arbeitsgruppen, zeigen Wege auf, wie zukünftige Arzneimittel entwickelt werden können. Das Konzept für ein neues Forschungszentrum befindet sich bereits in der Entwicklung. Dabei sollen hochdynamische Prozesse in Bezug auf Proteinnetzwerke und Maschinerien in zellulären Membranen erforscht werden. Langfristig sollen die Forschungsergebnisse neue Möglichkeiten für die Therapie von molekularen Krankheiten, Infektionen und Krebs aufzeigen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Die Orginalpublikation findet ihr hier.
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