An der Medizinischen Hochschule Hannover wurde ein erfolgreicher Heilversuch gegen das JC-Virus unternommen. Damit könnten zukünftig schwere Gehirninfektionen verhindert werden.
Das John-Cunningham-Virus (JC-Virus) infiziert etwa 70 bis 90 % aller Menschen weltweit, ohne dass die meisten es überhaupt bemerken. Doch einmal in den Körper gelangt, schlummert das Erbgut des Erregers dort weiter.
Ist das Immunsystem z. B. durch eine schwere Erkrankung oder durch immunsuppressive Medikamente geschwächt, wird das Virus reaktiviert und kann eine seltene Gehirninfektion auslösen, die häufig innerhalb weniger Wochen zum Tod führt: Eine progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML).
Bislang gab es keine Therapie gegen die Erkrankung, doch ein interdisziplinäres Team der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat nun einen Weg gefunden, die Ausbreitung des Virus aufzuhalten.
Die Forschenden behandelten zwei PML-Patientinnen mit bestimmten Abwehrzellen, die das JC-Virus im Körper der Betroffenen zurückdrängen konnten. Obwohl die Therapie nur für einzelne individuelle Heilversuche angewendet wurde, sind die Ergebnisse bahnbrechend.
PML-Patienten, die aufgrund von Erkrankungen oder einer Transplantation auf immunsuppressive Medikamente angewiesen sind, befinden sich häufig in einem Zwiespalt: Die Einnahme der Medikamente kann die Ausheilung der PML verhindern, doch das Absetzen einer Immuntherapie ist häufig nicht möglich und kann bspw. nach einer Transplantation zum Verlust des Spenderorgans führen.
„Jetzt haben wir zum ersten Mal einen Ansatz, ohne größere Nebenwirkungen das Virus direkt zu bekämpfen“, erklärt Neurologe Prof. Thomas Skripuletz. Die Lösung liegt im Blut gesunder Menschen, die zwar mit dem JC-Virus infiziert sind, jedoch nicht krank werden. Sie verfügen über passgenaue Abwehrzellen aus der Gruppe der weißen Blutkörperchen. Diese T-Zellen erkennen den Angreifer als körperfremd und leiten eine Immunantwort ein.
Werden solche spezifischen T-Lymphozyten in den Körper von PML-Betroffenen transplantiert, bekämpfen sie dort das JC-Virus, und der Zustand der Patienten stabilisiert sich.
„Das funktioniert allerdings nur dann ohne Probleme, wenn die Zellen der Spender die gleichen Gewebemerkmale haben wie die Empfänger, also HLA-kompatibel sind“, erklärt Immunologin Prof. Britta Eiz-Vesper.
Dafür muss die Anzahl spezifischer T-Zellen gegen unterschiedliche Virustypen bestimmt werden. So können wirksame und auch verträgliche T-Zellen von mit den Patienten nichtverwandten Spendern für eine Zellgabe verwendet werden. Das Spenderblut wird dann so stimuliert, dass die gesuchten T-Zellen herausgefiltert werden.
„Wir haben für unsere Publikation die erfolgreiche Behandlung einer beidseitig lungentransplantierten und einer weiteren Patientin mit schwerer entzündlicher Erkrankung des Immunsystems mit den BK-Virus-spezifischen T-Zellen beschrieben“, so Neurologin Dr. Franziska Hopfner. Das BK-Virus ist mit dem JC-Virus eng verwandt.
In beiden Fällen führte eine dreimalige Gabe von anti-JC-aktiven Spender-T-Lymphozyten zu einer deutlichen Verbesserung des jeweiligen Gesundheitszustandes.
„Das Gehirn erholte sich erstaunlich schnell, und die Viruslast im Nervenwasser nahm deutlich ab“, erklärt die Neurologin. Ein Jahr nach dieser Behandlung seien zwar noch Narben in den betroffenen Hirnregionen sichtbar, aber die Patientinnen seien weitgehend stabil. Inzwischen wurden drei weitere PML-Patienten erfolgreich an der Klinik therapiert. „Damit sind wir auf dem besten Weg von einer nicht-behandelbaren Erkrankung zu einer erfolgreichen PML-Therapie“, betont Prof. Skripuletz.
Das Team möchte nun den Wirknachweis der Therapie in einer klinischen Studie erbringen. Dann könnte aus der Einzelfall-Behandlung eine für alle PML-Patienten zugelassene Therapie werden.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Medizinischen Hochschule Hannover. Die Originalpublikation findet ihr hier.
Bildquelle: FLY:D, unsplash.