TEIL 2 | „Was kann ich neben den AHA-Regeln und einer Impfung noch für meine Corona-Prophylaxe tun?“ Hier drei Antworten, die ihr euren Patienten auf diese Frage geben könnt.
Mittlerweile sind eine Reihe von Prophylaxemöglichkeiten gegen SARS-CoV-2-Infektionen bekannt und verfügbar. Als nicht-medikamentöse Maßnahmen sind die AHA-Regeln (Abstand-Händedesinfektion-Alltagsmaske) zusammen mit Frischluft – idealerweise alles zusammen – hocheffizient. Zur medikamentösen Prophylaxe wurden innerhalb kürzester Zeit hochwirksame Impfstoffe entwickelt und bereitgestellt. Somit stellt sich die Frage, ob überhaupt noch weitere Prophylaxeansätze benötigt werden.
Derzeit ist die Situation in Deutschland aktuell so, dass nur gut 50 % der Bevölkerung zumindest eine Dosis Impfstoff erhalten haben und immerhin knapp jeder Dritte komplett geimpft ist. Auch viele Patienten aus Risikogruppen warten noch auf ihre Erstimpfung. 13 % der Erwachsenen stehen der Corona-Impfung ablehnend gegenüber. Es gibt also trotz erster Impferfolge eine Reihe von Personen, für die eine zusätzliche Prophylaxe vorteilhaft wäre.
Bisher gibt es noch keine behördlich zugelassene nicht-vakzin-basierte medikamentöse Prophylaxe von COVID-19. Allerdings gibt es eine Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) vom 7. Dezember 2020, in der eine Reihe medikamentöser prophylaktischer Maßnahmen vorgestellt und bewertet werden. Konkret wird auf den Wissensstand zur viruziden Wirksamkeit von Gurgeln und Nasenspray eingegangen.
Zum Gurgeln werden auf Grund der hohen in-vitro-Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 und der Senkung der Viruslast bei SARS-CoV-2-Infizierten in erster Linie Mundwässer auf Basis von Alkohol und ätherischen Ölen empfohlen (Listerine Cool Mint® oder bei empfindlicher Mundschleimhaut Listerine Cool Mint milder Geschmack®).
Als mögliche Alternative wird auch Gurgeln mit ca. 5 %-iger Kochsalzlösung oder mit grünem Tee genannt. Zur Präexpositionsprophylaxe wird weiterhin eine 1,25 % wässrige PVP-Iod-Lösung empfohlen. In Deutschland ist mit Betaisodona Mundantiseptikum ein bakterizides und viruzides Fertigarzneimittel mit 7,5 % PVP-Iod im Handel, welches entsprechend verdünnt werden kann.
Als Nasenspray wird Carragelose (Algovir® Erkältungsspray) empfohlen. Carragelose, das sulfatierte Polymer Iota-Carrageen, wird aus Rotalgen gewonnen und bildet einen Schutzfilm als physikalische Barriere auf den Zellen der Schleimhaut. Außerdem hat Carragelose in vitro eine direkte antivirale Wirkung gegen SARS-CoV-2. Eine mögliche, aber wahrscheinlich weniger wirksame Alternative zu Algovir® ist ein Nasenspray auf Basis von 0,9–3 %-iger Kochsalzlösung. Algovir® Nasenspray und PVP-Iod-Lösung zum Gurgeln können auch zur Postexpositionsprophylaxe verwendet werden.
Die diesen Empfehlungen zugrunde liegende Evidenz ist allerdings gering und basiert in der Regel auf der Messung von in-vitro-Aktivitäten gegen SARS-CoV-2 oder auf klinischen Studien gegen andere Erkältungsviren mit methodischen Mängeln. Positive Ausnahme ist eine 3-wöchige randomisierte placebo-kontrollierte Studie mit Algovir® Nasenspray an medizinischem Personal in Argentinien, welches in direktem Kontakt mit COVID-19-Patienten stand (n = 394). Die Studie ist als Preprint vor Peer-Review verfügbar. Durch Algovir® konnte die Infektionsrate mit SARS-CoV-2 um 80 % gesenkt werden (1 % vs 5 %, p = 0,03). Weitere Studien sind in Vorbereitung oder bereits in der Rekrutierungsphase.
In der S1-Handlungsempfehlung der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) wird für ältere Personen (insbesondere Altenheimbewohner) prophylaktisch eine Substitution mit 1.000 -2.000 IE/Tag Vitamin D empfohlen. Diese Empfehlung wird von positiven Effekten von Vitamin D bei anderen Infekten und von der Beobachtung abgeleitet, dass Vitamin-D-Mangel mit einem erhöhten COVID-19-Risiko verbunden ist. In einer neuen großen Kohortenstudie an 18.148 Probanden verschwand dieser Zusammenhang allerdings nach Korrektur anderer Einflußfaktoren wie Alter, Geschlecht, Herkunft, Bildung, BMI, Rauchen und Hypertonie.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass zwar die Evidenz für die vorgestellten Prophylaxe-Methoden – vielleicht mit Ausnahme von Algovir® – gering ist, diese Methoden aber anderseits auch bei korrekter Anwendung und Beachtung der Hygieneregeln nicht mit dem Risiko von Nebenwirkungen oder hohen Kosten verbunden sind. Somit ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis dennoch positiv (Cave: Iod-Allergie und Hyperthyreose bei Iod-PVP und Hypervitaminosen bei Vitamin D – Überdosierung).
Quellen
Bildquelle: Sincerely Media, unsplash